Motorradrecht

Butter bei die Fische

Rechnet der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall seinen Fahrzeugschaden fiktiv, d.h. auf Basis eines Gutachtens ab, lässt eine Reparatur tatsächlich aber nicht durchführen, z.B. weil er das Geld anderweitig einsetzen möchte, stutzen die gegnerischen Versicherungen das vom Geschädigten eingereichte Gutachten seines freien Sachverständigen gern unter Verweis auf eigene „Prüfgutachten“ zurecht. Sehr beliebt sind dabei Positionen wie die Stundenverrechnungssätze markengebundener Fachwerkstätten, Verbringungskosten oder Ersatzteilaufschläge. Dem Geschädigten wird dann auch gleich eine Alternativwerksatt empfohlen, die unschlagbar günstig mindestens genauso gut repariere, wie eine Markenfachwerkstatt.

Die Versicherungen berufen sich dabei auf das sog. „Porsche-Urteil“ des BGH (Urteil vom 29.04. 2003, VI ZR 398/02). In dieser Entscheidung hatte der BGH der Praxis der Versicherer die gutachterlich festgelegten Stundenverrechnungssätze von Markenwerkstätten zu kürzen und die Geschädigten auf einen abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze einer Region zu verweisen, zwar eine Absage erteilt. Allerdings stellte der BGH auch klar, dass ein Geschädigter, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und qualitativ gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich wegen seiner Schadenminderungspflicht auf diese verweisen lassen muss.

Als die Versicherungen daraufhin anfingen, den Geschädigten sog. „Partnerwerkstätten“ vorzuschlagen, bestätigte der BGH in einer weiteren Entscheidung nochmals, dass der Geschädigte sich an eine günstigere, gleichwohl gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen lassen müsse, aber nur, wenn die dortigen Preise nicht auf Sondervereinbarungen der Versicherung mit der Werkstatt beruhen (BGH, Urteil vom 22. 6. 2010 – VI ZR 337/09). Die „Partnerwerkstätten“ hießen danach „freie Fachwerkstätten“ und die Versicherungen kürzten munter weiter.

Maßgeblich ist allein die Frage der Gleichwertigkeit der Reparatur, welche die Versicherungen darlegen und beweisen müssen. In den Klageverfahren werden dann bunte „Expertisen“ eingereicht, wonach es sich bei dem Alternativwerkstätten um Meisterbetriebe handelt (was gesetzliche Notwendigkeit ist), die Originalersatzteile verwenden (was denn bitte sonst?) und so weiter und so fort. Das sind Selbstverständlichkeiten. Die z.B. gern als „Qualitätsmerkmal“ angeführte Zertifizierung nach DIN ISO 9001 bietet lediglich Anhalt dafür, dass die Betriebsabläufe geordnet und die einzelnen Arbeitsschritte einer Person nachgewiesen werden können. Ebenso nichtssagend für die Gleichwertigkeit ist, ob die Werkstätten die Eurogarant-Qualitätsnorm erfüllen und Mitglied im Identifica Verbund sind.

Zur Frage welche Stundenverrechnungssätze bei fiktiver Abrechnung denn nun gelten sollen, gibt es unzählige Amts- und Landgerichtsentscheidungen, die entweder zu dem Ergebnis kommen, der Geschädigte müsse sich auf eine konkrete und günstigere Möglichkeit einer technisch einwandfreien Reparatur verweisen lassen oder könne auch bei einer fiktiven Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt zu Grunde legen.

Jetzt gesellt sich eine Entscheidung des Amtsgericht Mitte dazu, dass sich von den bunten Expertisen erfreulicherweise nicht hat blenden lassen, sondern von der Versicherung genauer wissen wollte, woraus sich denn die behauptete Gleichwertigkeit der Reparatur ergebe. Nachdem die Versicherung das nicht konnte oder wollte und zur Zahlung verurteilt wurde, legte man erfolglos Berufung ein. Der 42. Kammer beim Landgericht Berlin war der Vortrag der Versicherung auch zu bunt, sie wollte kein Prüfgutachten, sondern ein konkretes Angebot der Werkstatt sehen.

Nach der von der Berufungsklägerin selbst genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09 – Rn. 6 f., zit. nach juris = NJW 2010, 2725) verhält sich der Geschädigte – und so auch der Berufungsbeklagte – entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, a.a.O.). Die Ausnahme von diesem Grundsatz ist, dass der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturrnöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 7).

Diese Darlegung ist die Berufungsklägerin auch unter Berücksichtigung ihres Prüfgutachtens (…) schuldig geblieben. In dem Gutachten wird unter Hinweis auf die Eigenschaft als .Identica-Fachbetrieb“ bzw. „zertifizierter KFZ-Fachbetrieb“ die Qualifikation eines Betriebes umschrieben, ohne dass dabei mit der erforderlichen Mühelosigkeit deutlich würde, welche Qualitätsstandards darunter zu verstehen sind. Im Übrigen werden lediglich nach Art eines Textbausteins bestimmte Eigenschaften des Betriebes umschrieben, aus denen sich nach Auffassung des Gerichts nicht, jedenfalls aber nicht ohne Weiteres (i.e. ,mühelos“), die Gleichwertigkeit der Werkstatt herleiten lässt.

Soweit die Berufungsklägerin vorträgt, es sei ihr nicht möglich, ein Angebot vorzulegen, wohingegen es dem Geschädigten möglich sei, das Angebot einzuholen, greift diese Argumentation nicht durch. Streitig waren allein die höheren Stundenverrechnungssätze bzw „Lohnkosten“ (…) und nicht die sonstigen Arbeiten. Dementsprechend ist nicht ersichtlich, warum die Berufungsklägerin kein konkretes Angebot vorlegen konnte.

LG Berlin, Beschl. v. 16.01.2013, 43 S 136/12
AG Mitte, Urt. v. 04.07.2012, 110 C 3390/11

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verspäteter Aprilscherz?

Nach einem Auffahrunfall mache ich für unseren Mandanten Schadenersatz geltend. Der Kfz-Sachverständige hatte ausgerechnet, dass die Reparatur inklusive Mehrwertsteuer rund 6.800 Euro kosten wird. Nachdem sich die Versicherung des Unfallgegners etwas Zeit ließ, um die volle Haftung zu übernehmen, hat unser Mandant die Instandsetzung vorfinanziert. Die Werkstatt wollte ein wenig mehr, nämlich inklusive Steuern sage und schreibe 6.900 Euro. Jetzt überweist die gegnerische Versicherung 6.000 Euro und schreibt folgendes:

Wir haben den SV um Rechnungsüberprüfung gebeten. Dieser ist nicht bereit diese durchzuführen, da wir seine Rechnung gekürzt haben. Bitte veranlassen Sie, daß der SV unabhängig von der Frage seiner Rechnung, seiner Verpflichtung nachkommt.

Erst kürzt man die Rechnung und wundert sich dann, wenn der Sachverständige keine Lust verspürt, eine Differenz von 100 Euro zu erläutern? Hätte ich auch nicht.

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Nachlackiert ist nicht mehr neu!

Der spätere Kläger hatte bei einem Vertragshändler einen neuen BMW 320d für 39.000 € bestellt. Einen Monat später wollte er sein Auto eigentlich abholen, allerdings hatte das Schäden an der Lackierung und der Karosserie. Der Vertragshändler sollte nachbessern, was dieser zumindest versuchte. Das Ergebnis überzeugte den Käufer nicht. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten, das die Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtete, lehnte er die Übernahme des BMW erneut ab – dieser sei ja auch nicht mehr neu – und trat vom Vertrag zurück.

Der Vertragshändler meinte, das Auto sei völlig in Ordnung und dachte nicht daran, den Kaufpreis zu erstatten. Das Landgericht Bochum sah das anders und gab der Klage des Käufers auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung in Höhe von 10.000 €, Freistellung von den zur Fahrzeugfinanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten sowie Ersatz von Sachverständigenkosten statt. Dagegen legte der Vertragshändler Berufung ein und bekam vor dem OLG Hamm Recht. Die verbliebenen Mängel, auch wenn zu deren Beseitigung bis zu sieben Prozent vom Kaufpreises kosten würden, seien lediglich optischer Natur, kaum wahrnehmbar und daher unerheblich. Und da der Käufer am Anfang ausdrücklich Nachbesserung verlangt hat, könne er sich jetzt auch nicht darauf berufen, dass das Auto nicht mehr neu sei.

Nachdem zwei Gerichte zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren, musste der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entscheiden und fand den Umstand, dass der Vertragshändler nicht ordentlich nachgebessert hatte, alles andere als unerheblich. Der Käufer eines Neuwagens könne grundsätzlich erwarten, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, der dem werksseitigen Auslieferungsstandard entspricht.

Verlangt der Käufer eines Neuwagens die Beseitigung von Mängeln, verzichtet er damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs. Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten.

Der Rücktritt ist dabei auch nicht durch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.

BGH, Urteil vom 06.02.2013 – VIII ZR 374/11

Quelle: Pressemitteilung Nr. 23/2013 vom 06. Februar 2012

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Fundstück aus vergangenen Tagen

FahrwerksbeschädigungenBeim Aufräumen fiel mir eine Teilnahmebescheinigung aus dem Jahre 2004 in die Hände. Ich hatte seinerzeit die Gelegenheit, mich von einem Sachverständigen für motorisierte Zweiräder fortbilden zu lassen. Thema waren Fahrwerksbeschädigungen an motorisierten Zweirädern.

Zweieinhalb Stunden, die bis heute eigentlich ihre Wirkung zeigen, auch wenn sich in den letzten Jahren einiges an den Moppedfahrwerken geändert hat. Gelernt ist gelernt. Schließlich ist es mir ja auch gelungen, den einen oder anderen Rahmen selbst zu verbiegen. ;-)

Ich habe die Bescheinigung deswegen auch in Liste meiner Nachhilfestunden aufgenommen.

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Ermittlungsverfahren gegen Motorrad-Rennfahrer

603px-MZ_1 Ältere Moppedfahrer werden die Namen noch kennen: Martin Wimmer und Ralf Waldmann. Die beiden erfolgreichen Fahrer aus der Knieschleiferfraktion haben sich weniger erfolgreich um die Motorenwerke Zschopau (MZ) gekümmert, nachdem der malaysische Konzern Hong Leong Industries im Jahr 2009 keinen Spaß mehr hatte an der Traditionsmarke.

Im September 2012 hatte das Amtsgericht Chemnitz das Insolvenzverfahren für den legendären ostdeutschen Motorradhersteller eingeleitet. Und es sah eigentlich nicht schlecht aus. Insolvenzverwalter Christoph Junker prognostizierte zunächst, die Firma erhalten zu können. Mitte Februar wollte er mitteilen, wie es weiter geht.

783px-Martin_Wimmer_Japanese_GP_1991Nun hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen Martin Wimmer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil der Rennfahrer angeblich zu langsam war. Mit der Insolvenzanmeldung. Deswegen werde nun wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO) gegen ihn ermittelt. Ralf Waldmann ist bereits vorher schon (rechtzeitig?) aus dem Rennen Unternehmen ausgeschieden.

Junker ist derzeit noch guter Dinge: MZ produziert derzeit noch Elektro-Dreiräder für die Schweizer Post, berichtet der Insolvenzverwalter. Na, denn.

Bilder: Via Wikipedia

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Alles doof!

alles doof

Ich sach da nix zu!

(Von wem ist das geniale Foto/Transparent?)

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Gebraucht geht auch

Der Audi A 4 des späteren Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Ein Sachverständiger stellte einen wirtschaftlichen Totalschaden fest, da die kalkulierten Reparaturkosten von knapp 4.000,00 Euro über dem Wiederbeschaffungswert von 3.300,00 Euro lagen und eine Reparatur danach unwirtschaftlich ist.

Der Kläger ließ seinen Audi trotzdem reparieren. Das darf man nach der Rechtsprechung des BHG bis zur sogenannten 130% Grenze. Die Kosten der Instandsetzung müssen ersetzt werden, wenn sie die Wiederbeschaffungskosten um nicht mehr als 30% überschreiten. Hier beliefen sich die Instandsetzungskosten auf 4.200,00 Euro, lagen damit noch im Rahmen, so dass der Kläger diese anschließend ersetzt verlangte. Die Versicherung des Unfallgegners regulierte aber auf Totalschadensbasis und lehnte weitere Zahlungen ab.

Das Stuttgarter Amtsgericht wies die Klage ab, da es die Kalkulation des Sachverständigen für falsch hielt. Der hatte die Instandsetzungskosten nämlich mit Gebrauchtteilen berechnet. Sowohl die Kalkulation von Reparaturkosten als auch die Reparatur selbst habe aber auf Basis von Neuteilen zu erfolgen. Die Reparaturkosten würden dann aber 60 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen, so dass dem Kläger kein weiterer Schadenersatz bis zur 130% Grenze zustehe.

Das Landgericht Stuttgart interessierte sich eher dafür, ob die durchgeführte Reparatur des Audis auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen sach- und fachgerecht erfolgte und sprach dem Kläger restlichen Schadenersatz zu.

Zwar spreche Einiges dafür, dass zur Vermeidung von Manipulationen eine Kalkulation auf der Basis von Neuteilen zu erfolgen habe. Hiervon zu trennen sei aber die Frage, ob die konkret durchgeführte Reparatur ebenfalls nur unter Verwendung von Neuteilen erfolgen darf. Entscheidend seien hier die tatsächlichen Instandsetzungskosten von 4.200,00 Euro im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert von 3.300,00 Euro, die noch innerhalb der 130% Grenze lagen.

Für die Bestimmung der 130 % Grenze hielt das Landgericht nämlich nicht die Schätzung des Gutachters maßgeblich, sondern den tatsächlich für die Reparatur aufgewendeten Betrag. Da es sich um gebrauchtes Fahrzeug handelt, durften bei der Wiederherstellung des Audi auch Gebrauchtteilen verwendet werden. Wesentlich sei nur ein fachgerechtes Reparaturergebnis und das war hier erreicht.

LG Stuttgart, Urteil vom 18.07.2012, Az: 5 S 230/11

Die Frage, ob Reparaturkosten, die zwar den Wiederbeschaffungswert übersteigen, aber nicht die 130%-Grenze, weil eine Reparatur nicht wie vom Gutachten kalkuliert mit Neuteilen, sondern unter Verwendung von Gebrauchtteilen erfolgt ist, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Das Landgericht Stuttgart hat daher die Revision zum BGH zugelassen.

Das Landgericht Koblenz z.B. entschied mit Urteil vom 04.07.2007, Az: 12 S 65/07, dass eine Reparatur mit Gebrauchtteilen, auch wenn diese sicherheitstechnisch nicht zu beanstanden sind, bei der Kostenkalkulation im Rahmen der 130 % Grenze nicht vorgesehen sei. Grundlage müsse ein Sachverständigengutachten sein, welches sich an den Gepflogenheiten einer Fachwerkstatt zu orientieren habe, wo üblicherweise Neuteile verbaut werden.

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Dürfen die das?

Nach einem Verkehrsunfall, den natürlich immer der andere Beteiligte verschuldet hat, herrscht spätestens dann Empörung, wenn die eigene Kfz-Haftpflicht – ob nun ganz oder teilweise – den Schaden des Unfallgegners reguliert und man anschließend in der Schadenfreiheitsklasse hochgestuft wird. Die Frage lautet dann immer, darf die Versicherung das so einfach? Ja, sie darf.

Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), dort § 10 Abs. 5 liegt die sogenannte „Regulierungsbefugnis“ allein bei der Versicherung. Diese darf gegen den Willen ihres Versicherten und muss, wenn die Haftung begründet ist, den vom Versicherungsnehmer angerichteten Schaden bezahlen. Dabei hat die versicherung ein sehr weites Ermessen. Dass darunter die Prozente leiden, hat der Versicherte hinzunehmen.

Kommt es zu einem Rechtsstreit, darf die Versicherung entscheiden, ob sie doch lieber zahlt oder es darauf ankommen lässt und sogar den Anwalt bestimmen, der dann auch den Versicherungsnehmer und andere mitverklagte Personen vertritt. Der verklagte Versicherungsnehmer kann zwar grundsätzlich selbst einen eigenen weiteren Anwalt beauftragen, läuft dann aber Gefahr, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Die eigene Rechtsschutz übernimmt diese nicht und selbst für den Fall, dass man den Streit gewinnt, sind die Kosten vom Gegner regelmäßig nicht zu tragen.

Auch wenn ich über manche Regulierungsentscheidung der Versicherer unserer Mandanten den Kopf schütteln mag, verbieten kann ich die Regulierung nicht.

Das musste sich auch eine Klägerin in einem in Coburg durch zwei Instanzen geführten Rechtsstreit sagen lassen, die ihrer Versicherung vorwarf, trotz eines von ihrem Rechtsanwalt ausgesprochenen „Regulierungsverbots“ den Schaden der Gegenseite komplett bezahlt und dadurch die „Versicherungs-Prozente“ nach oben getrieben zu haben. Die Klägerin war auf ein bremsendes Taxi aufgefahren, sah sich nicht in der Verantwortung und beauftragte einen Anwalt. Die Versicherung, wenig beeindruckt vom anwaltlichen „Verbot“, zahlte den Schaden am Taxi.

Das Amtsgericht Coburg wies die Klage der Versicherten auf Rückstufung in ihre alte Schadenfreiheitsklasse ab. Eine Versicherung habe einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, ob Schadensersatzansprüche begründet seien oder nicht. Die Regulierung hier sei keinesfalls unsachgemäß oder willkürlich gewesen. Daran ändere auch ein „Regulierungsverbot“ nichts (nachzulesen beim AG Coburg, Urteil vom 26. Februar 2009, Az: 15 C 1469/08; LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 25. Mai 2009, Az: 32 S 15/09).

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BGH: Versicherungsrecht meets Strafrecht

Der Vorwurf der Verkehrsunfallflucht ist nicht nur aus strafrechtlicher Sicht eine heikle Angelegenheit, auch zivilrechtlich kann Ungemach drohen.

Allein die Tatsache, dass man den Unfallort einfach verlässt, führt als vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit z.B. gegenüber der Vollkasko zur Leistungsfreiheit. Es besteht dann kein Versicherungsschutz und ein Schaden am eigenen Fahrzeug wird nicht bezahlt. Der Grund für diesen rigorose Leistungsverweigerung findet sich in § 28 Abs. 2 VVG in Verbindung mit den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherungen (AKB).

Danach hat man sich mit Abschluss einer Fahrzeugversicherung mit dem „Kleingedruckten“ verpflichtet, alle Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und den Unfallort nicht zu verlassen, ohne dass die notwendigen Feststellungen getroffen wurden.

Der Bundesgerichtshof hat diesen Automatismus jetzt ein wenig relativiert und entschieden, dass nicht jede Verkehrsunfallflucht automatisch zur Leistungsfreiheit einer Fahrzeugversicherung führt.

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Eine Harley ist keine „Spaßmaschine“

Nutzungsausfallentschädigung für ein verunfalltes Motorrad durchzusetzen, ist eine Wissenschaft für sich. Erst einmal muss man theoretisch überhaupt in der Lage sein, Motorrad zu fahren, was Fälle, in denen der Biker mit einem Haufen Metall und Schauben erst einmal wieder zusammengesetzt werden musste, schon einmal ausschließt.

Wenn man fahren könnte, die Maschine aber kaputt in der Gegend oder schlimmer noch, auf dem Schrottplatz herum steht, kommt es darauf an, ob es sich bei dem Motorrad „um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, wobei dieser Begriff eng auszulegen ist“. Sagt der BGH. Um es kurz auszudrücken, einen Pkw benutzt man täglich um von A nach B zu kommen, ein Motorrad nur zum Spaß.

In einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts bezweifelten die Richter nicht, dass der Genuss der Freiheit, wie ihn die Benutzung eines Motorrades (es ging um eine Ducati) vermitteln mag, durch die Benutzung eines Pkw nicht ersetzt werden könne. Das Kammergericht wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass entgangener Fahrspaß grundsätzlich nicht erstattungsfähig sei. Der Kläger in dem Verfahren konnte ein vorhandenes Auto für Fahrten nutzen, dass er darüber hinaus auch auf sein Motorrad angewiesen war, konnte er nicht beweisen (KG, Beschl. v. 26.11.2003, Az: 12 U 181/03).

Eine der wenigen Entscheidungen, die hier pro Motorradfahrer ergangen sind, ist die des Oberlandesgericht Düsseldorf, das einem Harleyfahrer Nutzungsausfall trotz eines weiter vorhandenen Pkw zusprach. Da hier der Fahrspaß als „Schaden“ angesehen wird, steht die Entscheidung des Gerichts nicht im Einklang mit der spaßbefreiten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und stellt (leider) eine Ausnahme dar, ist aber wunderschön begründet.

Die Harley Davidson Electra-Glide FLHTI des Klägers befand sich wegen eines fehlenden Ersatzteils 78 Tage zur Reparatur in einer Fachwerkstatt. Für diesen Zeitraum verlangte der Kläger Nutzungsausfallentschädigung in Gesamthöhe vom rund 5.200 Euro. Das Motorrad war für das ganze Jahr angemeldet und nicht nur für reine Freizeitfahrten, sondern – je nach Witterungslage – auch für die Fahrt zur Arbeit genutzt. Die gegnerische Haftpflichtversicherung verweigerte die Zahlung mit dem Argument, dass dem Kläger für den Reparaturzeitraum ein Pkw zur Verfügung stand. Seine Ehefrau verfügte ebenfalls über einen privaten Pkw und ein weiteres Motorrad.

Das Landgericht Duisburg wies die Klage ab. Damit wollte sich der Kläger nicht zufrieden geben und legte Berufung zum OLG Düsseldorf ein, wo er auf offensichtlich motorradbegeisterte Richter traf:

Der hier zu beurteilende Gebrauchsvorteil der klägerischen Harley Davidson wird nun durch die Nutzung eines PKW nicht ersetzt. Die jeweiligen Nutzungswerte entsprechen sich nicht. Die beschädigte Harley Davidson Electra Glide ist ein Motorrad der Luxusklasse. Die Benutzung dieses besonderen Fahrzeugs befriedigt einerseits das Interesse des Klägers an Mobilität, bietet aber andererseits durch das im Vergleich zu einem PKW völlig anders geartete Fahrgefühl und die andersartige Art der Fortbewegung auch den spezifischen Gebrauchsvorteil, ein besonders hochwertiges, luxuriöses Motorrad zu fahren. Gerade diese besondere Art des Gebrauchs hat sich der Kläger erkauft. Dieser spezifische Gebrauchsvorteil ist daher als Äquivalent seiner vermögenswerten Aufwendungen für den Erhalt dieses Fahrzeugs unfallbedingt entfallen. Demgegenüber konnte er durch die Nutzung seines PKW nur einen Teil der Gebrauchsvorteile des Motorrads ausgleichen, nämlich nur die reine Funktion seines Fahrzeugs als Transportmittel. Der darüber hinausgehende Nutzungswert des beschädigten Motorrads ist daher “fühlbar” entgangen, so dass ein Ausschluss seines Nutzungsausfallentschädigungsanspruchs nicht gerechtfertigt ist. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2008, Az: I-1 U 198/07)

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