Eine Lichtblick-Matritze aus 1971

Die Gefangenen-Zeitung „Lichtblick“ schreibt über sich selbst:

Die Zeitschrift gibt es seit einem halben Jahrhundert. Die Themen und die Inhalte haben sich während dieser Zeit – im Groben betrachtet – kaum verändert. Der Teaser eines Beitrags aus dem Jahr 1971 zeigt, dass die Probleme, die die Sozialarbeit in der JVA Tegel heute hat, schon damals Thema waren. Von wegen tempora mutantur! Nicht im Knast.

Auf diese Ausgabe hat der Twitter-Account „jvaberlintegel leaks“ @jvaberlintegel hingewiesen, dem es sich zu folgen lohnt:

Als jemand, der in den 70er Jahren sein Meinungsäußerungsrecht ebenfalls mithilfe der Kurbel an einem Matrizendrucker umgesetzt hat, finde ich das Layout und den Satz der Ausgabe 6/71 des Lichtblicks bemerkenswert. Die gruselige Qualität war nicht den Verhältnissen im Knast geschuldet, sondern die Flugblätter von damals sahen alle so aus. Das mal zum Thema „gute alte Zeit“. (Jetzt wisst Ihr auch, warum so viele Alt-68er Brillenträger sind!).

Wenn man sich aber mal an das Layout gewöhnt hat, ist diese Altausgabe der Zeitschrift durchaus lesenswert. Die Zeit in der JVA Tegel war gleichfalls keine „gute alte“.

Ach so: Den Lichtblick kann muss man abonnieren und durch Spenden unterstützen!

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Katastrophale Lügen der Angeklagten

In einer Strafsache, bei der mein Mandant mit einer Geldstrafe rechnen muss, geht es um die Höhe seines Einkommens und der Werthaltigkeit eines etwaigen vorhandenen Vermögens.

Mein Mandant bekommt nicht – wie zum Beispiel ein Richter – monatlich am Ersten im Voraus ein festes Gehalt (dessen Höhe man im Gesetz nachlesen kann). Sondern er verfügt über im Jahresverlauf stark schwankende Einnahmen.

Bei der Vorbereitung einer schriftlichen Stellungnahme möchte ich nun auch Angaben zur Person meines Mandanten und seinem Einkommen machen, um auf diesem Wege auch auf die Höhe des einzelnen Tagessatzes der Geldstrafe Einfluß zu nehmen.

Ich habe ein wenig recherchiert und bin auf einen Aufsatz von RiBGH Professor Dr. Peter König, (JA 2009, 809) gestoßen. Der professorale Bundesrichter, dem ich für die Anregung zu diesem Blogbeitrag danke, schreibt:

Der Angekl. hat das Recht zu schweigen. Er darf auch lügen. Davon wird in der Realität in breitem Umfang Gebrauch gemacht. Es entspricht einem geflügelten Wort, dass es um die soziale Lage Deutschlands katastrophal bestellt wäre, wenn seine Einwohner wirklich so arm wären, wie es nach den Einlassungen von Angeklagten vor den Strafgerichten den Anschein hat.

Was bleibt dem – im Zweifel überlasteten – Richter (in der Regel am Amtsgericht) also? Er müsste die Höhe des Einkommens ermitteln, und zwar wie jedes andere Detail auch, das er zur Grundlage seines Urteils machen möchte; die sogenannte Inquisitionsmaxime des § 244 Abs. 2 StPO gilt auch hier.

Aber der Richter darf insoweit auch den dicken Daumen bemühen, § 40 Abs. 3 StGB, vor allem dann, wenn er zugunsten des Angeklagten schätzt.

Entscheidend ist also, was der Angeklagte (Nota bene: nicht der Verteidiger!) dem Richter über seine finanzielle Situation berichtet. In den meisten Fällen geht ein Richter vom Guten auch im angeklagten Menschen aus und nimmt ihm die gelieferten Zahlen ungeprüft ab.

Das muss der Angeklagte wissen und genau das erzählt ihm sein Verteidiger. Denn der darf und wird nicht für seinen Mandanten schwindeln, auch wenn das immer mal wieder von bös- und ungläubigen Staatsanwälten und Richtern kolportiert wird.

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Bild (CC0): Schwerdhoefer / via Pixabay

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Entscheidung nach Aktenlage am St. Nimmerleinstag

Die Staatsanwaltschaft Berlin führt gegen meine Mandantin ein Ermittlungsverfahren. Der (Anfangs-)Verdacht steht auf einer hauchdünnen und tönernen Denunziation.

Darum geht’s:

Nach der obligatorischen Akteneinsicht bekam ich Post von der Staatsanwältin; sie hatte es eilig und setzte eine knappe Frist zur Stellungnahme:

Eine „Entscheidung nach Aktenlage“ ist in den überwiegenden Fällen die illustre Umschreibung der Drohung „…werde ich ansonsten Anklage erheben!„. Genau das wollte die Mandatin aber vermeiden – aus naheliegenden Gründen. Zumal an der Sache schon nach Aktenlage nicht viel dran war und die Vorwürfe recht einfach zu widerlegen waren.

Das war nicht nur meine Ansicht und die meiner Mandantin, sondern auch die der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (aus Gründen hier noch einmal so benannt). Deswegen lautete die recht übersichtliche Verteidigungsschrift am Ende:

Das war im Juni 2018. Seitdem passierte das, was immer passiert, wenn es die Staatsanwaltschaft nicht eilig hat, da sie sich lieber um Schwarzfahrer und Cannabiskonsumenten kümmert, statt Verfahren einzustellen, weil sich der vermeintliche Tatverdacht in Luft aufgelöst hat: Nämlich nichts!

Ich habe dann sukzessive eskalierend an die Bearbeitung bzw. Erledigung erinnert und die Entscheidung „nach – durch die Verteidigung aktualisierter – Aktenlage“ angemahnt.

Jetzt – knapp vor Erhebung der Dienstaufsichtsbeschwerde – hat sich endlich ein freundlicher (mich gut kennender) Staatsanwalt meiner Mandantin erbarmt. Naja, wenigstens so halbwegs. Er meldete sich in unserer Kanzlei und diktierte meiner Assistentin in die Telefonsnotiz:

Das ist die Berliner Staatsanwaltschaft, wie man sie kennt. Da fällt eine(!) Dezernentin aus und schon liegt der ganze Laden brach.

Ich wünsche der erkrankten Staatsanwältin gute Besserung, damit sie auch künftig wieder ihre volle Kraft für die Verfolgung der Kiffer im Görlitzer Park einsetzen kann.

Meine Mandantin erträgt die mit diesem armseligen Trauerspiel einhergehende Ungewissheit dann noch ein Weilchen …

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Das war’s dann …

Das mit dem Berlin und der Arbeit vor Ort reicht erstmal, jedenfalls bis Januar. Die paar Blogbeiträge für dieses Jahr sind geschrieben (they’re comming soon) und alles Wesentliche ist in Sack und Tüten. Der Rest kann warten …

Im kommenden Jahr gibt es ein paar richtig schöne Veränderungen, auf die ich mich nun irgendwo im Süden (und auf dem Weg dorthin) gedanklich vorbereiten und freuen werde.

Bis dahin: Bleiben Sie am Apparat!

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Frohe Botschaft für den Mandanten

Im November 2015 ist es der Verteidigung knapp gelungen, den Mandanten vor einem längeren Knastaufenthalt zu bewahren.

Das Gericht war davon überzeugt, dass der ehemalige Manager sogenannte „Scheinselbständige“ beschäftigt hatte; weil es um Beiträge in mittlerer sechsstelliger Höhe ging, die der Mandant angeblich nicht an die Sozialversicherungen abgeführt haben soll, hatte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe oberhalb von zwei Jahren beantragt. Das Gericht ist jedoch den Argumenten der Verteidigung gefolgt und hat eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe ausgeurteilt.

Die Bewährungszeit hat das Gericht auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Weil nun die Gerichte grundsätzlich vergesslich sind, wenn irgendwas zugunsten des Gewaltunterworfenen zu entscheiden ist, habe ich nach störungsfreiem Ablauf der Bewährungszeit bereits Anfang November den Straferlass beantragt:

Daraufhin kam dann dieser freundliche Beschluss:

Über solche Erfreulichkeiten informiert ein Verteidiger natürlich gern seinen Mandanten:

Der Mandant hat sich entsprechend gefreut und sich für die „Frohe Botschaft“ herzlich bedankt.

Nebenbei:
Ich habe auch schon oft Mandate übernommen, die sich ausschließlich auf den Straferlass nach Ablauf der Bewährungszeit bezogen haben. Weil der ehemalige Verteidiger, der seinen Exmandanten im Hauptverfahren verteidigt hat, sich nach dessen Verurteilung nicht mehr um ihn und die Sache gekümmert hat.

Das ist nicht nur eine vertane Chance, sich beim Mandanten noch einmal positiv in Erinnerung zu rufen und beliebt zu machen. Sondern auch gefährlich. Denn stets dann, wenn der Mandant – wie die meisten – immer noch einer gefahrgeneigten Tätigkeit nachgeht, besteht das Risiko, dass die Strafaussetzung zur Bewährung auch nach Ablauf der Bewährungszeit noch widerrufen werden kann (z.B. nach § 56g Abs. 2 StGB).

Dann doch besser frohe Botschaften kurz vor den Festtagen verkünden …

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Bild: © Andrea Damm / pixelio.de

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Neiddebatten mit der Staatsanwaltschaft

In einer Wirtschaftsstrafsache wird dem Mandanten vorgeworfen, einige Vorschriften u.a. des Insolvenzrechts nicht beachtet zu haben. Es ging um eine nebenberuflich geführte Gesellschaft, die irgendwann aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr überleben konnte.

Die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon abhalten, den Erlaß eines Strafbefehls zu beantragen. Und das Gericht hatte kein Problem damit, diesem Antrag stattzugeben.

Nun müssten Staatsanwälte eigentlich nicht nur den Tatbestand ermitteln, sondern auch die Höhe des Einkommens des Beschuldigten. Das war dem Staatsanwalt in diesem Verfahren aber schlicht zu mühsam. Deswegen hat er von dem Beruf des Mandanten auf die Höhe seines Einkommens geschlossen und sich dabei von den Vorurteilen leiten lassen, die man allgemeinhin in der gesicherten und verarmten Beamtenschaft pflegt.

Das sieht dann im Ergebnis so (fürchterlich) aus:

Wenn man das einmal zurückrechnet, was sich der wirtschaftlich verarmende Staatsanwalt vorstellt, der ein bestimmtes Bild von klassischen Berufen hat, soll mein Mandant über ein monatliches Nettoeinkommen von 9.000 Euro verfügen können.

Ich weiß nicht, in welcher Welt dieser Ermittler lebt, aber seine Schätzung wirft kein gutes Licht auf dessen Charakter. Dass es auch Menschen gibt, die trotz hohen Ansehens nur ein durchschnittliches Gehalt bekommen, darüber werde ich mit dem Ankläger dann in der Hauptverhandlung debattieren.

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Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de

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Ein scheinselbständiger Rosenkrieg

Rosenkriege sind was ganz Feines. Für den Strafverteidiger. Unter dieser Überschrift beginnt ein weiteres Kapitel in einem bestehenden Mandat

Die Exfrau und ehemalige BGB-Gesellschafterin zeigt ihren Exmann an. Sie behauptet gegenüber der Staatsanwaltschaft, ihr Ex habe angeblich Scheinselbständige beschäftigt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, sammelt Indizien und klagt an.

In der Anklageschrift reklamieren die Strafverfolger einen Schaden in ernsthafter sechsstelliger Höhe.

Das gerichtliche Verfahren dümpelt vor sich hin, schließlich sind die Verfahren wegen Nichtabführens von Sozialabgaben (§ 266a StGB) insbesondere den Richtern am Amtsgericht ein Greuel, das sie gern mal auf Phasen verschieben zu versuchen, von denen sie hoffen, weniger zu tun haben (Indes: „Die Hoffnung wird von Pebb§y gemeuchelt.“) . Kenner der Szene vermuten jetzt richtig: Die (umfangreichen) Akten setzen auf einer Fensterbank liegend reichlich Staub an.

Erfahrene Verteidiger nutzen die Zeit, um mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Deal hinzubekommen. Ziel ist es dabei, die Einziehung des Vermögens im Strafverfahren dadurch zu verhindern, daß die Forderungen der DRV ausgeglichen sind, bevor es mit dem Hauptverfahren konkret losgeht. Das hat für alle Beteiligten Vorteile: Die DRV bekommt zügig einen Großteil ihrer Forderungen, der Angeklagte kann bei der Höhe der Zahlungen ein Wörtchen mitzureden und der Strafrichter muß sich nicht so intensiv mit dem häßlichen Sozialrecht herumschlagen.

Nun bekommt aber besagte Rosenkriegerin davon Wind, daß ihr Rosenbekriegter versucht, sein immobiles Vermögen zu verflüssigen. Und das teilt sie dann auch noch der Staatsanwaltschaft mit.

Die sieht eine vermeintlich herannahende Katastrophe und beantragt (und erhält) einen Arrestbeschluß, mit dem eine Sicherungshypothek und ein Veräußerungsverbot ins Grundbuch eingetragen wird.

Jetzt müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen … (… was dann nicht für die Öffentlichkeit und Expartnerinnen bestimmt sein wird.)

Wenn das aber so weiter geht, fürchte ich, daß hier noch ein Mandat für die Verteidigung vor dem Schwurgericht hereinkommt.

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Bild: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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Mit der Bußgeldstelle per Du

In unseren Kulturkreisen ist es üblich, einem Fremden gegenüber mit Distanz aufzutreten. Regelmäßig dauert es eine Weile, bis man ins persönlichen „Du“ übergeht. Vor allem dann, wenn es um einen höchst offiziellen Umgang miteinander geht.

Offenbar hat aber ein großer Autovermieter so häufig mit der Bußgeldstelle zu schaffen, daß man sich bereits beim After-Work-Bier in einer Neuköllner Eckkneipe trifft, und sich gemeinsam an die Promillegrenzen herantastet.

Anders läßt sich sonst diese eMail nicht erklären, die ich in einer Bußgeldakte gefunden habe:

Denn ich kann nicht glauben, daß da irgend ein hirnloser Textautomat die wenig professionelle Arbeit eines Programmierers ausgeführt hat.

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Bild (CC0): 3dman_eu / via Pixabay

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Einwirkung mit einem Küchenbeil

Die fast poetisch anmutende Begründung eines sehr seltenen Freispruchs:

Ich finde, dem Gericht ist es hervorragend gelungen, den an sich recht dramatischen Vorfall in wohlklingende Worte zu fassen.

Das Urteil ist daher(?) auch rechtskräftig geworden.

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Mitmachquiz: Wie lautet die richtige Antwort?

Gar nicht so selten bittet die Staatsanwaltschaft (gern auch das Gericht) den Verteidiger, bei der Strafverfolgung behilflich zu sein. Nun ist wieder einmal eine solche Anfrage eingetrudelt.

Zur Info: Der Staatsanwalt will die Anklage mit dem Eröffnungsantrag an’s Gericht schicken und mitteilen, unter welcher Anschrift die Anklageschrift dem Mandanten zugestellt werden kann.

Nur mit einer erfolgreichen Zustellung kann das Verfahren weiter geführt werden. Ohne die Zustellung dümpelt das Verfahren der Verjährung entgegen.

Soll der Verteidiger die Anschrift mitteilen, wenn er sie kennt?


     

 

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Gibt es eine dritte oder weitere Varianten, die hier geboten sein könnten?

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