Rechtskraft um die Ecke

Der Job beim Landgericht in einer Berufungskammer ist unter Strafrichtern ziemlich beliebt. Denn oftmals gelingt es, sich der Akten, die auf ihrem Resopal-Schreibtisch landen, auf einfachem Wege zu entledigen. Dafür folgender Beleg.

Unser Mandant wurde entsprechend dem Verteidigungsziel verurteilt – zu einer mäßigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die unmäßige Staatsanwaltschaft legte am Tag nach der Verkündung gegen das Urteil die Berufung ein.

Wir haben es uns zur Regel gemacht, knapp vor Ende der Rechtsmittelfrist beim Gericht anzurufen. Ziel der Nachfrage ist es zu erfahren, ob das Urteil rechtskräftig wird. In diesem Fall informierte uns die Geschäftsstelle über die Berufung der Staatsanwaltschaft.

Um für unseren Mandanten alle Optionen in der Berufungsinstanz nutzen zu können, legen wir ebenfalls ein Rechtsmittel ein, quasi die Anschlußberufung (ein aus dem Zivilprozeß geklauter Begriff).

Ich weiß nun nicht sicher, was die Vorsitzende Richterin am Landgericht, bei der die Sache gelandet ist, gemacht hat. Mein Blick in den Caffèsatz verrät mir aber ein vertrauliches Gespräch in der Kantine zwischen ihr und dem zuständigen Staatsanwalt.

Das vorläufige Ergebnis dieser Besprechung war diese Faxanfrage:

Die Wege, auf denen die Verteidigung ihr Ziel erreicht, führen manchmal um die Ecke.

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Bild: © Rainer Sturm / pixelio.de

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Respekt vor einer Pflichtverteidigerbestellung

Die Richterin eines auswärtigen Gerichts rief mich an und fragte mich, ob ich bereit sei, eine Pflichtverteidigung in einer Wirtschaftsstrafsache zu übernehmen. Sie beabsichtige, mich einem Angeklagten zum Pflichtverteidiger zu bestellen.

Da ich sehr gern und oft auch außerhalb des Mollochs Moabit unterwegs bin, habe ich ihr zugesagt.

Es ist nicht das erste Mal, daß ich bei dieser Richterin verteidige. Wir kennen uns seit einigen Jahren und es hat immer wieder herrliche Auseinandersetzungen gegeben – ihr Verständnis von Ihrer Aufgabe wich nicht selten von meinen Vorstellungen ab. Die Beweisaufnahmen standen stets unter einem kontradiktorischen Stern.

Sie wußte also, daß ich kein Verurteilungsbegleiter bin und als Verteidiger keine „Sterbehilfe“ leiste. Dennoch oder gerade deswegen erging der entsprechende Beschluß und ich bin nun der gerichtsgewählte Pflichti des Mandanten.

In der Akte finde ich dann folgenden Vorlagebeschluß nach § 209 Abs. 2 StPO:

Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage zum Strafrichter erhoben, weil sie von einer Strafe von maximal zwei Jahren ausausgeht. Die Richterin, die über die Zulassung der Anklage zu entscheiden hatte, meinte nun, ihre Strafkompetenz reiche nicht! Deswegen soll das Schöffengericht ran an die Sache, weil ein Strafrichter, der von zwei Schöffen begleitet wird, maximal vier Jahre ausurteilen darf.

Das Schöffengericht lehnte die Übernahme allerdings dankend ab, eröffnete vor dem Strafrichter und schickte die Akte wieder zurück an die Strafrichterin.


Vor diesem Hintergrund und der Kenntnis des Verteidigungs-Engagements eines Kreuzberger Strafverteidigers ist meine Bestellung zu Pflichtverteidiger durchaus einen respektablen Blogbeitrag wert.

Ich freue mich, daß es Richter gibt, die Verteidiger, die ihre Aufgabe ernst nehmen, nicht als Störfaktor, sondern als unverzichtbaren Bestandteil eines fairen Strafverfahrens anerkennen.

Und ich bin gespannt auf die Reaktion der Richterin, wenn ich mich mit meinem Mandanten laut über ein Ablehnungsgesuch unterhalte.

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Bild: © Angela Parszyk / pixelio.de

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Darlehnsangebot der Union Finance

Ich habe Post bekommen von der Union Finance LTD und auch gleich geantwortet – ein solches Angebot darf man sich einfach nicht entgehen lassen:

Ob Vanessa Cadena mir das Geld in Bar vorbeibringen wird? Damit wir uns gemeinsam den gewünschten „Schönen Tag“ machen können?

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Der Exekutor und sein Lieblingsdieb

Eigentlich sieht der Josef Ley gar nicht so aus, wie einer, der Spaß daran hat, Existenzen zu vernichten. Tut er aber. Nachhaltig. Bei der „Bild“.

Kennt man den Namen Götz Decker noch? Also, ohne zu googlen? Erstmal ehrlich klicken hier, und danach weiterlesen:
 

Götz Decker?


     

 

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Decker wurde wegen Diebstahls von 1,35 Millionen DM (sic!) vor knapp 17 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Was genau passiert ist, kann man auf Wikipedia nachlesen: Wie der Mann einen Geldtransporter leergeräumt hat, nach Südafrika abgehauen ist und sich dann leichtsinnig mit dem deutschen Boulevard eingelassen hat. Nebenbei: Es wird berichtet, daß der Josef Ley der Autor des Wikipedia-Beitrags ist; der Duktus paßt jedenfalls.

Der Boulevard hat seinerzeit ausführlich über Decker berichtet und den Ermittlungsbehörden damit das Material dazu geliefert, ihn in Südafrika zu pflücken und einzutüten. Berichten zufolge soll Ley schon 2005 engagiert an der Sache dran gewesen sein.

Der „Bild“-Reporter Ley hat einen Narren an Decker gefressen. Investigativ deckt er auf: 2001 war die Tat, 2005 die Verurteilung, 2009 die Entlassung aus der Haft (mit Reststrafenaussetzung zur Bewährung) und dann eine psychische Erkrankung. Das war Herrn Ley erneut eine Schlagzeile wert. Und Anlaß dafür, sich über den am Boden liegenden Mann und seine Krankheit lustig zu machen.

Das war’s dann aber immer noch nicht. Decker hat sich über die Jahre wieder berappelt. Und hat einen Job bekommen. Das war Anfang Juli. Den Job hat er nicht mehr, berichtet Josef Ley stolz über den Erfolg seiner Veröffentlichung am 28.07.2017 auf der Titelseite der „Bild“.

In den Innenseiten liefert Ley das Ergebnis seiner Arbeit als Head Hunter ab. Details aus dem Arbeitsvertrag und Photos eines Registerauszugs veröffentlicht der Reporter. Ob er dem neuen Arbeitgeber Deckers ein Belegexemplar der Bild zugeschickt hat, um ihn zu der Kündigung des Arbeitsvertrages zu veranlassen, ist bislang nicht bekannt.

Sehr schön ist das Ergebnis dieser journalistischen Qualitätsarbeit. Josef Ley reichte es nicht aus, daß der Mann für seine Tat drei Jahre lang im Knast saß, sich danach in der Psychiatrie mit „therapeutischen Parksparziergängen“ behandeln lassen mußte und nun versucht, sich wieder auf die eigenen Füße zu stellen. Er mußte ihn wieder hinrichten.

Ich gratuliere dem Herrn Ley zu diesem wunderbaren Erfolg und verneige mich vor der Qualität seiner journalistischen Arbeit. Das hast Du wirklich gut gemacht, Josef!

via GIPHY

Epilog:

„Bild“ will gern eine richtige Zeitung sein. Also eine mit Journalisten, die recherchieren und besondere Dinge rausfinden und diese dann exklusiv veröffentlichen. Nicht mehr nur dieses ekelige Revolverblatt, das einfach mal Geschichten erfindet oder Leute fertigmacht.
Quelle: BILDblog

Auch bei „Bild“ wird man ja noch träumen dürfen.

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Spektakulärer Kriminalfall

Es ist das Jahrhundert-Mandat aus unserem Dezernat Verkehrsstrafrecht.

Die Strafanzeige, bequem vom heimischen Rechner zur Internetwache:

Also: Statt den rechten Fuß mal für ne halbe Sekunde zu lupfen, stur drauf halten: Meine Fahrspur gehört mir!

Und hinterher sinnlos die knappen Ressourcen der Polizei verbraten. Die armen Beamten dort können ja dann gar nicht anders, als eine dicke Akte anzulegen und stumpf die Routinen abzuarbeiten:

Diesen Müll bekommen wir dann auf den Tisch.

Ich will ja gar nicht meckern, das ist unser Brot- und Buttergeschäft. Aber fragen tue ich mich schon, was Menschen, die solche Strafanzeigen schreiben, sonst noch im Hirn haben.

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Die Grußformel unter einer Anklageschrift

Seinen Namen kann man sich grundsätzlich nicht aussuchen. Wohl aber seinen Beruf.

Anklageschriften beinhalten nicht nur die Tatvorwürfe und die sonst noch in § 200 StPO vorgeschriebenen Details. Sondern auch die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens.

Was muß ich nun davon halten, wenn eine Anklageschrift ziemlich üble Vorwürfe beinhaltet, und der Anklageverfasser am Ende dennoch mit der deutschen Übersetzung von Salam (arabisch), Schalom (hebräisch) oder Pax tecum (lateinisch) grüßt?

Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

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Rindsviecher, Zeppeline und das beA

Der Kollege Joachim Breu aus der Hansestadt Hamburg kommentierte meinen Beitrag zum Elektronikschrott des beA mit einer Geschichte aus seiner reichhaltigen Erfahrung:

Ich hatte mal mit einem Unternehmer zu tun, der Arabern Zeppeline verkaufen wollte, weil man mit denen Kühe über weite Strecken so schonend transportieren könne, dass ihre Milch nicht sauer wird. Sie hatten sich das Projekt vorstellen lassen, ihm sogar Hotel- und Reisekosten ersetzt, sich am Ende aber nicht dafür entschieden. LKW und Flugzeuge, die es bereits gab, reichte ihnen für die Milchversorgung. Das war schlau. Anders die deutsche Anwaltschaft. Die bestellt sozusagen Zeppeline. Mit meinem Geld.

Ich möchte ergänzen: Die BRAK hat nicht nur normale Zeppeline bestellt und bezahlt, sondern auch solche, die die Rindsviecher nicht transportieren können, weil sie – die Zeppeline – nicht flugfähig sind.

Da fragte sich zu Recht schon vor über 40 Jahren:

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Bild Zeppelin: Sam Shere / Via Wikimedia
Bild Wo soll … : Gerhard Seyfried

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Notruf-Kater

Tierliebe ist grundsätzlich ein ehrenwertes Motiv. Aber muß man wegen eines gescheiterten Gebraucht-Kater-Verkaufs am Sonntagabend um kurz vor neun Uhr einen Strafverteidiger-Notruf konsultieren?

Wenn jemand der Katzenmutter helfen möchte …

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Die S-Klasse-Beleerung nach § 55 StPO

Die Suche nach dem Fehler in einer Belehrung nach § 55 StPO gestaltete sich schwieriger, als ich beim Schreiben des Blogbeitrags über die Schlabberei der Mordkommission erwartet hatte.

Der Ermittler der Mordkommission wies die Zeugin u.a. darauf hin, daß sie keine Angaben machen müssen, wenn sie sich oder einen nahen Angehörigen dadurch belastet.

Das ist falsch, weil zu eng (RA Schepers) bzw. unvollständig (Rene), aber unter den Beleerenden weit verbreitet.

Dabei ist das Gesetz eindeutig formuliert:

Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem […] Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Es geht um den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, den schon die alten Griechen auswendig lernen mußten: „Nemo tenetur se ipsum accusare.

Seine Grundlage findet dieses Prinzip im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Die daraus folgenden Prozessrechte in § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (für den Beschuldigten) und in § 55 Abs. 1 StPO (für den Zeugen) sind also ziemlich hoch aufgehangen und werden als grundrechtsgleiche Rechte gehandelt.

Deswegen ist es auch zwingend notwendig, sehr sorgsam damit umzugehen und nicht zu schlabbern.

Die Belehrung in dem zitierten Beispiel unterschlägt, daß die Zeugin ein Recht zur Auskunfstverweigerung schon dann hat, wenn (für sie oder einen Angehörigen) die Gefahr besteht, daß ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden kann.

Bloße Vermutungen ohne Tatsachengrundlage oder rein denk­theoretische Möglichkeiten reichen zwar noch nicht aus, eine solche Verfolgungsgefahr zu bejahen. Aber daß sich die Zeuge direkt belasten müßte, muß nun auch nicht sein.

Der Münchener Kommentar zur StPO schreibt daher ganz weise:

Eine Verfolgungsgefahr iSd § 55 liegt schon weit im Vorfeld einer solchen Belastung, wenn es sich um Fälle handelt, in denen nicht auszuschließen ist, dass die Angaben des Zeugen Rückschlüsse auf eine Tat zulassen …

Man nehme nur den ALG-2-Empfänger und die vordergründig unverfängliche Frage des Kriminalen, wie er denn zu Wache gekommen sei. Wenn der Hartzi seine neue AMG-S-Klasse auf den Parkplatz vor der Direktion gestellt hat, zieht die wahrheitsgemäße Beantwortung den dringenden Bedarf auf eine effektive Strafverteidigung gegen den Vorwurf zumindest eines gewerbsmäßigen Betruges nach sich.

So eine Verfolgungsgefahr in verständlichen Worten zu formulieren, fällt nicht nur manchem Polizisten des mittleren Dienstes schwer. Erfahrene Strafverteidiger kennen das Problem auch sehr gut aus Belehrungen durch Große Strafkammer Vorsitzende und kleine Amtsrichter. Dabei ist der Blick in den Gesetzestext doch ganz einfach, wenn man es denn gut meint mit den grundrechtsgleichen Rechten der Zeugen.

Nun schließen sich weitere Fragen an: Was ist die Konsequenz einer solchen Rechtsverletzung? Welche Rechte hat unser S-Klasse-Hartzi?

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Bild: © Jan von Bröckel / pixelio.de

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Neues Pferd, neues Glück

Nachdem auch die schneidiger Reiterei der Justiz den Mausetod ihrer Schindmähre nicht mehr leugnen konnte, hat sie die Beschwerde gegen Aussetzung des Verfahrens zurück genommen.

In der Folge konnten sich alle Beteiligten ein wenig locker machen und neu sortieren. Jetzt hat die Strafkammer frische Schlachtrösser eingespannt und die Wieder-Eröffnung der Spiele mitgeteilt:

Noch nicht organisiert wurde das Selbstleseverfahren, das im ersten Durchgang auf ein paar analphabetische Schwierigkeiten gestoßen ist.

To be continued ..

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