Gefährliche Schweigepflichtentbindungserklärung

Es ist nicht nur ein umständliches Wort, sondern für manche Anwälte auch ein unverstandenes: Die Schweigepflichtentbindungserklärung.

Ich habe vor einiger Zeit einen Rechtsanwalt verteidigt, der ein großes Unternehmen in der Krise begleitet und beraten hatte. Auf der Grundlage einiger unternehmerische Fehler, die auf beratungsresistente Entscheidungen zurückzuführen waren, und wegen zusätzlichen Pechs ging die ganze Geschichte gehörig schief.

Das rief im weiteren Verlauf die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft auf den Plan, die erst einmal einen Rundumschlag machte. Ermittelt wurde nicht nur gegen die Unternehmer, sondern auch gegen den beratenden Rechtsanwalt, meinen Mandanten.

Die Verteidigung gegen den Vorwurf der Beihilfe zu allerlei Vermögensdelikten und Insolvenzstraftaten war anstrengend, aber am Ende erfolgreich. Meinem Mandanten war keinerlei Vorwurf zu machen, das Verfahren gegen ihn wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Gegen die Unternehmer wurde jedoch Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer erhoben; für die Angeklagten geht’s nun also um die Wurst.

Nach einer bereits zweistelligen Zahl an Hauptverhandlungsterminen stellt der Anwalt (ich will den Begriff „Verteidiger“ in diesem Zusammenhang vermeiden) des einen Angeklagten einen Beweisantrag: Der ehemalige Berater, also mein Mandant, soll zu einem Detail aussagen und den Angeklagten entlasten. Solche brandgefährlichen Verteidigungsversuche veranstalten nur solche Anwälte, die nicht wissen was sie tun.

Es ist ein Standardproblem in allen Steuer- und Wirtschaftstrafverfahren: Der Berater (Steuerberater oder Rechtsanwalt) des vormals Beratenen (jetzigen Angeklagten) hat enormes Insiderwissen über das gescheiterte Unternehmen. Es funktioniert aber nicht ohne Weiteres, sich die Rosinen aus diesen Kenntnissen herauszupicken, und den üblen Rest unter der Decke zu halten.

Wenn ein gut informierter Steuerberater oder Rechtsanwalt durch den Mandanten einmal von seiner Schweigepflicht (siehe § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA, § 53 Abs. 1 Ziffer 3 StPO) entbunden ist, werden die Staatsanwaltschaft und das Gericht ganz sicher nicht darauf verzichten, auch außerhalb des von der Verteidigung beantragten Beweisthemas Fragen zu stellen. Und die Antworten, die der ehemalige Berater dann als Zeuge geben muss, könnten werden in der Regel katastrophale Folgen haben.

Ein solcher Beweisantrag, in dem dann auch gleich noch die Schweigepflichtentbindungserklärung abgegeben wird, stellt den Gau für jeden Angeklagten dar.

Der Anwalt, von dem ich hier berichte, ist ein hervorragender und erfolgreicher Wirtschaftsrechtler; aber vom (Wirtschafts-)Strafrecht hätte er besser mal die Finger gelassen.

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Schlagendes Argument des Vorsitzenden

Ich unterstüzte derzeit einen Angeklagten bei seiner „Selbststellung“.

Vor einigen Jahren hatte mein Mandant sich dazu entschlossen, nicht zu dem Hauptverhandlungstermin zu erscheinen, sondern den Kontinent zu verlassen.

Jetzt fällt ihm die asiatische Decke auf den Kopf und er will die Sache hinter sich bringen.

Wir haben einen Termin für die Einreise nach Deutschland gefunden. Und nun besteht meine Aufgabe darin, mit dem Gericht einen Hauptverhandlungstermin zu vereinbaren, der möglichst zeitnah zur Einreise meines Mandanten liegt. Denn wir gehen sicher davon aus, dass er bei seiner Einreise festgenommen und der Haftbefehl vollstreckt wird.

Auf meine Bitte um einen schnellen Termin entgegnete mir der Vorsitzende:

Wieso sollen Angeklagte, die nicht geflohen sind und bereits viele Monate in der U-Haft auf ihren Termin warten, schlechter behandelt werden, als jemand, der sich dem Verfahren durch Flucht entzogen hat?!

Manchmal muss auch ein Strafverteidiger einräumen, dass ein Richter die besseren Argumente hat.

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Langeweile bei der Staatsanwaltschaft

Ich hatte der Staatsanwaltschaft geschrieben, dass wir noch ein wenig Zeit brauchen für die Erstellung einer Verteidigungsschrift. Da auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft in dieser Sache nichts anbrennt, habe ich am 01.06.2019 schlicht einen Textbaustein gefaxt:

… ich beabsichtige, eine Verteidigungsschrift zur Akte zu reichen, und rechne damit, dass ich dazu voraussichtlich noch bis zum Ende des Monats Juni benötigen werde; für die entsprechende stillschweigende Gewährung der Stellungnahmefrist bedanke ich mich vorab.

Am 04.06.2019 schreibt mir der Staatsanwalt einen persönlich unterzeichneten Brief(!), der hier per Sackpost(!!) am 12.06.2019 (!!!) eintrudelt:

Sachma, haben die da nix Besseres zu tun?

Wenn eine *stillschweigende* Fristverlängerung erbeten wird, muss man doch nun wirklich nicht den gesamten Justizapparat in Bewegung setzen und per Briefpost mitteilen, dass dem Wunsch des Verteidgers nichts entgegensteht.

Einfach eine neue Wiedervorlage für den 01.07.2019 setzen und ein Eis essen gehen, wäre sinnvoller gewesen als diese komplett sinnlose Briefpost.

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Polizeilicher Knallzeuge und subkultureller Strafrichter

Ich berichte aus einer Beweisaufnahme vor einer Berufungskammer des Landgerichts.

Die Vorgeschichte:
Der zunächst unverteidigte Angeklagte wurde erstinstanzlich wegen einer Körperverletzung verurteilt. Der Vorfall ereignete sich in einem U-Bahn-Waggon. Die Verurteilung erfolgte, ohne dass der Strafrichter die Standbilder (Videoprints), und erst Recht nicht die Videoaufzeichnung selbst als Beweismittel in das Verfahren eingeführt hatte. Er hat das Urteil allein auf die Aussagen mehrerer Zeugen gestützt. Und aufgrund seiner Erkenntnis, dass der Verurteilte „ersichtlich subkulturellen ‚Ehr‘-Begriffen verhaftet“ sei.

Die Beweisaufnahme
In der Verhandlung vor dem Landgericht wurden alle Zeugen noch einmal gehört, die jeder jeweils einen anderen Geschehensablauf berichteten. Einer dieser Zeugen war ein zwischenzeitlich pensionierter Polizeibeamter, der seinerzeit zufällig und außer Dienst in dem Waggon war.

Der Zeugenbericht
Der Polizist schilderte in seinem Zeugenbericht, dass er sich in dem mittleren Teil des Waggons aufgehalten und genau gesehen habe, wie der Angeklagte im vorderen Teil des Waggons dem Geschädigten einen Schlag ins Gesicht versetzt hatte. Das Gericht und die Staatsanwältin hatten insoweit keine weiteren Fragen mehr an den Polizeibeamten.

Die Zeugenvernehmung
Nun folgte die Vernehmung des Polizeizeugen (Z) durch den Verteidiger (V).

V: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sich im Mittelteil des U-Bahn Waggons aufgehalten haben, als sie den Konflikt beobachteten?

Z: Ja, das habe ich doch gerade gesagt!

V: … und von dieser Position aus haben sie den Schlag des Angeklagten in das Gesicht des Geschädigten genau gesehen?

Z: Ja, ich konnte genau sehen, wie der Täter dem Opfer ins Gesicht geschlagen hat. Das habe ich doch gerade dem Richter erklärt.

V: Ich zeige Ihnen nun die Videoaufzeichnung von dem Vorfall. Bitte zeigen Sie mir jetzt noch einmal, wo sie sich zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung befunden haben.

Z: Oh! Ich habe ja gar nicht im Mittelteil des Waggons, sondern ganz hinten befunden. Aber ich habe den Schlag genau gesehen!

V: Zwischen Ihnen und dem vorderen Teil des Waggons haben weitere Fahrgäste gesessen und gestanden. Sie haben also trotz dieser vielen anderen Personen den Konflikt genau beobachten können?

Z: Ja! Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen. Ich habe genau gesehen wie ihr Mandant dem Opfer ins Gesicht geschlagen hat.

V: Ok. Hat der Angeklagte mit seiner rechten Hand oder mit seiner linken Hand zugeschlagen?

Z: Das weiß ich nicht mehr.

V: Hat der Angeklagte mit der Faust zugeschlagen oder mit einer offenen Hand?

Z: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

V: Hat der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt gesessen oder gestanden? (Anm.: Er hat gesessen.)

Z: Er hat gestanden und ist nach dem Schlag nach hinten umgefallen. Dann hat er gesessen.

V: Hatte der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt eine Kopfbedeckung auf? (Anm: Der Geschädigte trug eine rote Mütze, tief über beide Ohren und in die Stirn gezogen.)

Z: Nein. Ich konnte seine kurzen dunklen Haare erkennen. *genervt* Und ich habe den Schlag genau gesehen! *aggressiv* Ich weiß gar nicht, warum Sie mir dauernd diese ganzen Fragen stellen.

Die weiteren Antworten
Im weiteren Verlauf dieser Vernehmung durch den Verteidiger berichtete der Polizeibeamte einen Geschehensablauf, der mit dem auf deren Videoaufzeichnungen dokumentierten Ablauf so gut wie gar nichts zu tun hatte.

Die Videodokumentation
Tatsächlich war es so, dass er nicht nur zu weit weg gestanden hat, um den genauen Geschehensablauf beobachten zu können; zwischen ihm und dem Ort des Konflikts war die Sicht durch stehende und sitzende Fahrgäste versperrt.

Auf den Videoaufzeichnungen (vier verschiedene Kameraperspektiven) war zudem erkennbar, dass er zu Beginn des Konflikts in eine andere Richtung geschaut und erst, nachdem es aufgrund der bereits eskalierten Auseinandersetzung sehr laut wurde, sich dem Geschehen zugewandt hat.

Die Ergebnisse
Das Verfahren gegen den Angeklagten wurde eingestellt. Der gesundheitlich aufgrund dieses Verfahrens stark angeschlagene Angeklagte hat aus nervlichen Gründen dieser Einstellung zugestimmt. Gegen den Polizeizeugen wurde kein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage eingeleitet.

Die Nachworte
Die allermeisten der Polizeizeugen machen saubere Arbeit und liefern korrekte, hilfreiche Berichte. Und das ist gut so. Es gibt aber auch solche Typen, wie den, über den ich hier berichtet habe. Ihm reichte es, den „Täter“ anhand seiner Herkunft als solchen zu identifizieren; das einheimische „Opfer“ kann es per se nicht gewesen sein. Glücklicherweise ist dieser Mann nicht mehr aktiv als „Freund und Helfer“ unterwegs.

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Der Anwalt und ein toter Grundrechtchenträger

Wenn man nicht aufpasst, kann man schonmal an ziemlich üble Gesellen geraten auf der Suche nach einem Verteidiger.

Ich möchte heute am Pfingstmontag mal über jemanden berichten, der sich berühmt, Anwalt für Strafrecht in Berlin zu sein. Vielleicht deswegen ist er auch Mitglied der Facebookgruppe „Fachanwälte für Strafrecht / Strafverteidiger“. Weitere Qualifikation für seine berufliche Tätigkeit als Anwalt belegt er – neben ein paar anderen – mit diesem Attest:

In der vergangenen Woche berichtete ein Kollege über die Abschiebung eines südamerikanischen Mannes, der als Kind gemeinsam mit seiner Mutter nach Deutschland einreiste. Der Kollege reklamiert – wie ich meine zu Recht – die Reisekosten der drei Bundespolizeibeamten, die für die Abschiebung eingesetzt waren. 20.000 Euro hat der Ausflug gekostet.

Jener Anwalt, über den ich hier schreibe, einer, der behauptet, als Strafverteidiger unterwegs zu sein, reagierte auf den Bericht des Kollegen:

Wenn er drei Begleiter braucht, muss er ja ziemlichen Ärger gemacht haben. Verstehe aber auch nicht, warum man ihn nicht mit Vollfixierung verschickt hat.

Nun, so eine – auf nichts gestützte – Vermutung kann man äußern; aber sie zeigt schon, in welche Richtung dieser Anwalt denkt. Er wird aber noch deutlicher.

Ein anderer Strafverteidiger erklärte ihm, warum eine Vollfixierung nicht in Betracht kommt, mit den Worten:

Weil dann so etwas passieren kann.

In Bezug genommen wurde der Fall des Aamir Ageeb, sudanesischer Flüchtling, der durch Maßnahmen von BGS-Beamten gestorben ist.

Die Reaktion des hier beschriebenen Anwalts war die folgende:

Da hängt eben ein organisatorischer Aufwand dran, dass auch jedes Grundrechtchen gewahrt bleibt, da wollen wir wegen diesen schlappen 20.000 Eurit mal keine Krokodilstränchen vergießen.

Ok, Art. 2 Abs. 2 GG, der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantieren will, als „Grundrechtrechten“ zu disqualifizieren … auch das kann man machen. Aber das ist schon eine Hausnummer, die mir hilft, die Geisteshaltung dieses Menschen einzuschätzen.

Das anwaltliche Statement danach bzw. darüberhinaus ist noch einen Zacken deutlicher:

So ein Flüchtling ist ja nur ein Grundrechtchenträger, den kann man ja mal eben totschlagen, wenn er sich der Staatsgewalt widersetzt, meint dieser Herr augenscheinlich.

Leute gibt’s … und Anwälte auch. Und manche finde ich einfach ziemlich übel.

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Schönen Dank auch, Staatsanwältin!

Gegen den Mandanten werden mehrere Ermittlungsverfahren geführt, und zwar von zwei Staatsanwaltschaften: Eine aus dem Westen der Republik und eine aus Moabit. Alle Verfahren haben einen ähnlichen Vorwurf: § 15a InsO, § 283 StGB.

Bei der West-StA sind es relative Kleinigkeiten, bei zwei (inaktiven) Gesellschaften sollen die Bücher nicht sauber geführt worden sein und irgendwas ist bei einem Jahresabschluß nicht ganz de lege artis gelaufen.

Hier in Berlin warf man dem Mandanten ein anderes Kaliber vor, zwar auch nichts, was einem den Kopf kosten kann, aber immerhin reichte es zur Füllung eines Hauptbandes und vierer Beiakten.

Die zuständige Berliner Staatsanwältin – immerhin Dezernentin in einer Wirtschaftsabteilung – hatte irgendwie keinen Bock auf Arbeit. Sie schickt daher die Akten nach Westdeutschland …

Ok, kann man ja mal versuchen, auf diesem Weg die Arbeit vom eigenen Tisch auf den des weit entfernt sitzenden Kollegen zu schaffen. Ist auch verständlich. Nur: Dann sollte man es auch richtig machen.

Auch aus Sicht der Verteidigung besteht der behauptete Sachzusammenhang nicht, bzw. nur über den ähnlich klingenden Namen der beteiligten Gesellschaften; ansonsten waren die Unternehmenssitze einmal in Berlin und in den anderen Fällen eben in Westdeutschland.

Das stand in ziemlich deutlichen Worten in der

Drei oder vier Absätze weiter unten dann noch dieser Hinweis an die Moabiter Strafverfolgerin:

Ok, kann man ja schonmal vergessen, dass es in einer Wirtschaftsstrafsache ein paar Beiakten gibt. (Spoiler: Das ist völlig ironisch gemeint.)

Also gut, dann nehme ich mir die Akten zusammen mit dem Laptop mit auf die Couch und schlage mich ein paar Stunden mit den chaotischen Akteninhalten rum und entwickele den Entwurf eines Verteidigungsschrift, die ich dem Mandanten zur Prüfung übermittelt habe.

Parallel dazu habe ich mich bei der Staatsanwaltschaft in Westdeutschland nach dem Sachstand erkundigt und erhalte die Nachricht von dort:

Das heißt also: Nach der gescheiterten Loswerdung der Akte stellt die Berliner Staatsanwältin das größere Verfahren in Hinblick auf das kleinere Verfahren ein. Damit hat sie ja auch ihr Ziel erreicht: Die Akte hat ihren #Resopal-Schreibtisch (Achtung: Insider) verlassen.

Und gemäß dem Motto „Was kümmern mich die anderen!“ unterläßt die arbeitsmüde Unkollegin die Mitteilung an die Verteidigung, dass sie das Verfahren eingestellt hat. Ich arbeite also mehrere Stunden für die Tonne, weil die Dame es nicht für nötig hält (oder damit überfordert ist), ihren Job zu machen.

Auch wenn ich mir wenig Erfolgschancen verspreche: Auf die Arbeit, die ich jetzt mit der Geltendmachung eines vierstelligen Schadensersatzanspruchs meines Mandanten gegen die Justiz habe, kommt es mir nicht an. Ich bin gespannt auf die Ausreden der Dilletante.

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Gefährliche Teileinstellung

Es ist nicht ungewöhnlich, dass umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen nicht mit einem Urteil enden; ein Freispruch ist noch seltener. In vielen Fällen bietet sich die Einstellung nach § 153a StPO an, nämlich die Einstellung gegen Zahlung einer Auflage.

Entscheidend bei einem solchen Verfahrensende ist, dass sich alle Beteiligten einig sind. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen der Einstellung und der Höhe der Auflagenzahlung zustimmen. Stellt sich einer der drei Gruppen quer, muss weiter verhandelt werden.

Heute ist in den Medien vom Ende des Prozesses gegen Dirk Jens Nonnenmacher und andere Ex-Vorstände der HSH Nordbank zu lesen. Bevor es noch einmal richtig losgehen sollte, haben sich die Beteiligten auf eine Einstellung gegen eine 7-stellige Auflagenzahlung geeinigt, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Es geht um die Zahlung von bummeligen 4,85 Millionen Euro

Vielleicht ist diese Höhe der Grund dafür, dass einer der sechs ursprünglich angeklagten Ex-Vorstandsmitglieder der Einstellung nicht zustimmte. Es können aber auch andere Gründe sein, die den Angeklagten zum Kampf um den Freispruch veranlasst haben.

Dieser Weg wird kein leichter sein. Es wird sogar schwieriger werden als beim ersten Durchgang. Denn wenn die Verfahren gegen die fünf anderen nach Erfüllen der Zahlungsauflagen endgültig eingestellt wurden, stehen sie dem Gericht grundsätzlich als Zeugen zur Verfügung, die aussagen müssen. Nur wenn man sehr gute Gründe findet, könnte doch noch einmal ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO vorliegen. Das ist aber wirklich nur in Ausnahmefällen durchsetzbar.

Das bedeutet nun für die weitere Beweisaufnahme der ab Mitte August geplanten neuen Hauptverhandlung, dass der letzte Angeklagte möglicherweise mit dem Insiderwissen der ehemaligen Mitangeklagten rechnen muss. Ich gehe aber davon aus, dass ihn seine Verteidiger darüber aufgeklärt haben.

Übrigens: Beim § 153a StPO gilt die (ungeschriebene) alles-oder-nichts-Regel. Verweigert der Angeklagte seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung, folgt ein Urteil. Ein nochmaliges Einstellungsangebot wird er regelmäßig nicht bekommen. Aber auch hier gibt es – wenngleich sehr seltene – Ausnahmen. Es ist ein gefährlicher Sprung in ein Verfahren mit einem ungewissen Ausgang.

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Einreisebestimmungen bei der Selbststellung

Es ist schon etwas länger her, dass in der Geschäftsbeziehung zwischen meinem Mandanten und einem großen Reiseunternehmen etwas schief gegangen war. Jedenfalls wird er seit dieser Zeit von den Strafverfolgungsbehörden gesucht.

Nachdem es der Vorverteidigerin gelungen war, die Dauer der Verjährungsfrist um 5 Jahre zu verlängern, lief nun eine andere Frist zeitnäher ab: Die Dauer der Gültigkeit des Reisespasses, die – anders als die Verjährungsfrist – in diesem Fall nicht verlängerbar ist, § 7 Abs. 1 Ziff. 2 PassG.

Dies war der Anlass (Gründe gab es andere) für den Wunsch des Mandanten, sich nun dem Strafverfahren in Deutschland zu stellen.

Es ist gelungen, die Fahndung auf den innereuropäischen Bereich zu begrenzen, so dass die Selbststellung nicht im außereuropäischen Ausland erfolgen muss. Wer sich einmal z.B. mit dem asiatischen Auslieferungsverfahren beschäftigt hat, wird wissen, dass man das unbedingt vermeiden sollte.

Das Öffnen eines solchen Fensters zur Ausreise ist jedoch keine triviale Angelegenheit, was man allein schon daran erkennt, dass die Staatsanwaltschaften dafür Spezialabteilungen eingerichtet und mit besonders ausgebildeten Staatsanwälten besetzt haben. Ferner gibt es eine Aufgabenteilung zwischen dem LKA des betreffenden Landes, dem Bundeskriminialamt und den Kontaktbeamten im jeweiligen Ausland. Alles in Allem eine aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nur schwer überschaubare Sache.

Die Einreise hingegen ist recht unkompliziert. Vorausgesetzt, es gibt einen Direktflug, so dass ein Umsteigen in dem Gebiet, in dem die Fahndung noch läuft, nicht erforderlich ist. Anderenfalls findet die Festnahme und eine anschließende vieltägige, manchmal wochenlange Verschubung statt, die man auch innerhalb Deutschlands keinem Menschen wirklich wünschen will.

Der einreisewillige Festzunehmende teilt seine konkreten Reisedaten mit und verabredet sich – über den Verteidiger – mit dem Empfangskomitee am Flughafen.

Hier muss man wissen: Die Polizeibeamten achten darauf, dass dem Selbststeller nichts mehr bleibt außer den Sachen, die er am Leib trägt. In einigen Fällen nimmt man ihm auch die Schnürsenkel und den Gürtel weg.

Besonders spannend finden die Beamten dabei Barmittel und Kostbarkeiten, die man später zur Finanzierung der Prozesskosten nutzen oder bei der Vermögensabschöpfung verwerten kann.

Sinnvoll hingegen ist eine Tasche mit dem Gepäck, das die Kontrolle bei der Einweisung in die Untersuchungshaftanstalt überlebt. Dafür gibt es Packlisten (pdf), die die Haftanstalten zusammengestellt haben.

Sinnvoll ist auch, an geeigneter Stelle einen kleineren Geldbetrag zu deponieren, der dann möglich kurzfristig nach der Einweisung in die JVA auf das Haftkonto eingezahlt oder überwiesen werden kann. Sonst wird das nichts mit dem Einkauf im Knastladen, um sich mit den dortigen Luxusartikeln versorgen zu können.

Auch wenn der Verteidiger seinem Mandanten all diese Informationen zur Verfügung stellt und die Selbststellung gut vorbereitet ist, bleibt ein Kribbeln im Bauch, was der Mandant so schnell nicht vergessen wird.

Was wiederum meine Erfahrung bestätigt, dass die Beschäftigung mit Strafrecht – egal aus welcher Perspektive – einen sehr hohen Unterhaltungswert hat.

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Kein Spaziergang nach berufungsrichterlichem Hinweis

Der Mandant war in erster Instanz nicht verteidigt. Wohl auch deswegen konnte der Strafrichter auf die Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen verzichten. Ihm reichten vier Standbilder zur Klärung der Frage, wer hier wen geschlagen und wer sich verteidigt hat.

Der Mandant wurde verurteilt und versucht nun sein Glück in der Berufungsinstanz, diesmal allerdings mit Unterstützung eines Verteidigers.

Ich habe Akteneinsicht beantragt und auch die DVD der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zum Angucken bekommen. Die bewegten Bilder waren aufschlußreicher als die Videoprints; sie bestätigten die Schilderungen des Mandanten, besonders dann, wenn man sich den Geschehensablauf aus den unterschiedlichen Kameraperspektiven anschaut.

Der Vorsitzende der Berufungskammer hat meine Verteidigungsschrift ernst genommen, in der ich das Ziel der Verteidigung konkretisiert und den Weg dorthin skizziert habe: Er hat sich vorbereitend die Aufzeichnungen angeschaut. Und schickt mir ein paar Tage vor dem Verhandlungstermin diese freundliche Nachricht:

Ich habe bereits in meiner Vorbereitung die Aufzeichnungen Frame für Frame angeschaut und daraus ein neues „Filmchen“ (aka Daumenkino) zusammengestellt. Deswegen konnte ich dem Gericht kurz mitteilen, dass die Verteidigung nach nochmaliger und intensiver Berufungszielüberdenkung auf die Zeugen nicht verzichten kann.

Wir dürfen erwarten, dass die Beweisaufnahme kein Spaziergang werden wird.

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2. Juni 1967

Benno Ohnesorg wird vor der Deutschen Oper von dem West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras durch einem Pistolenschuss aus kurzer Distanz in den Hinterkopf getötet.

#Startschuss

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