Elmau und Heiligendamm

Zu dem Riesenwirbel, der zur Zeit in der Bayerischen Provinz veranstaltet wird, weil ein paar Großkopferte auf „Wellness in Bayern mit Stil, Sport & Kultur“ machen, hat der Republikanische(r) Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) am 3.6.2015 eine Pressemitteilung veröffentlicht:

Geschichte wiederholt sich immer zweimal, als Tragödie und als Farce
2007 Heiligendamm – 2015 Schloss Elmau

Der G7-Gipfel auf Schloss Elmau rückt näher und so auch die Medienmaschine der Polizei. Legitimer Protest wird im Vorfeld kriminalisiert – von der Anreise gewaltbereiter Personen ist die Rede. 20.000 Polizisten, 5.000 mehr als in Heiligendamm, sind mobilisiert, 200 Polizeigewahrsamplätze eingerichtet, 100 Richter und 15 Staatsanwälte abgestellt. Die Polizeipressestellen sind Teil des Versuchs, Demonstrierende im Vorfeld einzuschüchtern. Ein Blick zurück zeigt, wie die Demontage von Bürger- und Menschenrechten funktioniert.

Nach dem G8-Gipfel 2007 wurde klar: Die Mehrheit der Ingewahrsamnahmen war rechtswidrig, Ermittlungsverfahren wurden ohne Verdacht geführt, die Praxis von Polizei und Staatsanwaltschaft verlief vielfach am Rande der Rechtstaatlichkeit, und ›unverhältnismäßig‹ war noch das höflichste Wort. Zur Erinnerung einige Zahlen:

»Von den ca. 1.600 Ermittlungsverfahren, die wegen der Proteste im Juni 2007 eingeleitet worden waren, waren am 15.11.2007 bereits 1.086 eingestellt. Von 176 Verfahren, die bis Ende Mai 2008 gerichtsanhängig waren, führten 84 Fälle zu einem Urteil: eine Urteilsrate von rund fünf Prozent«. »Von den gut 1.000 Freiheitsentziehungen im Juni 2007 waren 586 Gegenstand gerichtlicher Überprüfungsverfahren. Lediglich 158 von der Polizei gestellte Anträge auf Gewahrsamsverlängerung wurden angenommen. Gegen 102 genehmigte Gewahrsamsverlängerungen wurde Beschwerde eingelegt, in 45 Fällen wurden die Gefangenen danach entlassen, lediglich 15mal ein Gewahrsam bestätigt«. (1)

Ein Fazit aus Heiligendamm: Menschenrechtsverstöße

Kaum ein Ermittlungsverfahren führte zu einer Anklage, gerichtlich überprüfte Ingewahrsamnahmen führten zu Freilassungen, Schadensersatzklagen hatten Erfolg. »Die Polizei sollte aus solchen Statistiken lernen«, so Verina Speckin, Rechtsanwältin und Mitglied des RAV und Legal Teams in Elmau, »sonst ist es wieder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der, wie in seiner Heiligendamm-Entscheidung von 2011, im Nachhinein Menschenrechtsverstöße der Polizei feststellt«. Der Gerichtshof hatte vier Jahre nach Heiligendamm geurteilt, dass G8-Freiheitsentziehungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen – und Berlin zu Geldstrafen verurteilt.(2)

Die Stimmungsmache etwa des DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt spricht gegen jeden Lernprozess: Man werde gegen gewaltbereite Personen »konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle vorgehen«, lässt der sich zitieren. »Mein Eindruck ist, ein Ereignis wie der G7-Gipfel wird gern genutzt, um Bürgerrechte einzuschränken«, so Speckin. »Dabei muss sich der Rechtsstaat gerade in diesen besonderen Situationen als Rechtsstaat bewähren«.

(1) Vgl. Prozessbeobachtungsgruppe Rostock sowie die Zahlen in Neue Justiz, 12/07: 529ff.

(2) 2007 mussten zwei junge Männern sechs Tage im Gefängnis verbringen, weil die Polizei zwei Transparente (›Freedom for all Prisoners‹/Freiheit für alle Gefangenen und ›Free all now‹/Befreit alle jetzt) als Aufforderung zur Gefangenenbefreiung bewertete, vgl. EGMR, 01.12.2011 (8080/08, 8577/08).

Eines muß man den Veranstaltern dieses G7-Gipfels allerdings lassen: Die Gegend um den Veranstaltungsort zwischen Wetterstein- und Karwendelgebirge, den die location scouts ausgegraben haben, ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Ich hoffe, die Herrschaften lassen sich ein wenig von der Landschaft inspirieren.

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Ernstgemeinter Humor beim Landgericht

In einer recht angestaubten Strafsache, die nach ewig langen Ermittlungen und Anklageerhebung endlich beim Landgericht Frankfurt am Main angekommen war, hatte ich Akteneinsicht beantragt. Und zwar Einsicht in *alle* Akten, die dem Gericht von der Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift übermittelt wurden.

Denn mit der Übersendung der Anklageschrift wird der Vereidigung Gelegenheit gegeben, zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffung der Spiele des Hauptverfahrens Stellung zu nehmen und gegebenenfalls Anträge zu stellen. Damit ich prüfen kann, ob eine Verteidigung im diesem so genannten Zwischenverfahren sinnvoll ist, muß ich erst einmal in die Akten schauen. Deswegen mein Akteneinsichtsgesuch.

Darauf reagierte der Vorsitzende Richter in einer – sagen wir mal – etwas ungewöhnlichen Art:

… wird in Beantwortung Ihres Schriftsatzes vom 12.05.2015 mitgeteilt, dass eine Übersendung der Akten nicht möglich ist. So sind die Akten hier zur Vorbereitung der Eröffnungsentscheidung und zur Durchführung der Zustellung an Ihren Mandanten nicht entbehrlich. Es wird Ihnen jedoch hiermit ausdrücklich gestattet, auf der Geschäftsstelle in alle Haupt- und Beiakten Einsicht nehmen zu können.

Abgesehen von der Entfernung zwischen meinem Schreibtisch und der Geschäftsstelle des Landgerichts Frankfurt am Main gibt es da ein weiteres Problem. Das ist nämlich der Umfang der Ermittlungsakten (500 Bände – fünfhundert. Bände – nicht Blätter).

Ich habe daher den Richter gefragt:

LGFFM - ernsterZeitpunkt

Eigentlich eine eher rhetorische gemeinte Frage, aber der Vorsitzende – das sei lobend hervorgehoben – nimmt jedes Wort eines Verteidigers ernst. Und antwortet entsprechend:

LGFFM-Ernstgemeint

Der Mann hat Humor. Ich freue mich auf die gute Unterhaltung in den nächsten Monaten …

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Fortbildung: Entschädigung für rechtswidrige Haft

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger und der Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein bieten heute eine besondere dreistündige Fortbildung an:

Entschädigung für rechtswidrige Haft nach Art. 5 Abs. 5 EMRK
eine von Strafverteidigern nahezu ungenutzte Möglichkeit

Heute, am Donnerstag, den 4. Juni 2015 um 19.00 Uhr, in der Humboldt-Universität Berlin, Hörsaal 1072 im Hauptgebäude, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Aus dem Veranstaltungsflyer (pdf):

Die Hamburger Strafverteidigerin Dr. Iris-Maria Killinger wird zum Thema „Haftentschädigung für rechtswidrige Untersuchungshaft nach Art. 5 Abs. 5 EMRK“ vortragen. Die Referentin wird darlegen, dass Art. 5 Abs. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention das deutsche Haftentschädigungsrecht maßgeblich beeinflusst. Rechtswidrig inhaftierten Untersuchungsgefangenen stehen leicht durchsetzbare Haftentschädigungsansprüche zur Verfügung, die unabhängig vom BGB und vom StrEG sind. Diese Rechtslage wird vom Gesetzgeber seit Jahrzehnten bewusst ignoriert und die Praxis hat die Sprengkraft von Art. 5 Abs. 5 EMRK bislang nicht erkannt. Der Staat spart hierdurch jährlich Haftentschädigungen in Millionenhöhe! Der Vortrag behandelt die völker- und materiellrechtlichen Grundlagen und setzt einen Schwerpunkt auf die persönlichen Haftungsrisiken der beteiligten Justizorgane sowie der beteiligten Strafverteidiger.

Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung per E-Mail: info@strafverteidiger-berlin.de oder Fax: 030/347 812 66 erbeten.

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Dokumentiertes Motorradfahren

Zu welchen argumentativen Klimmzügen Verwaltungsrichter imstande sind, zeigt die Pressemitteilung Nr. 41/2015 des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 28.05.2015.

Längere Dauer der Fahrtenbuchauflage bei nur saisonal genutzten Motorrädern

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, es sei nicht zu beanstanden, wenn die Behörde die Festsetzung einer gegenüber Personenkraftwagen längeren Dauer einer Fahrtenbuchauflage darauf stützt, dass der Verkehrsverstoß mit einem nur saisonal genutzten Motorrad begangen wurde.

Der Kläger wendet sich gegen eine Fahrtenbuchauflage. Er ist Halter eines Motorrads, mit dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 27 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten wurde. Nachdem der Kläger keine Angaben zum Fahrer des Motorrads machte, der auch nicht anderweitig ermittelt werden konnte, ordnete das Landratsamt an, dass der Kläger für die Dauer von 15 Monaten ein Fahrtenbuch führen müsse. Da das Tatfahrzeug ein Motorrad war, setzte das Landratsamt dabei entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis für die Fahrtenbuchauflage eine um drei Monate längere Dauer fest als bei einem entsprechenden Verkehrsverstoß mit einem Personenkraftwagen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass Motorräder anders als Personenkraftwagen in der Regel nicht ganzjährig genutzt würden, mit der Fahrtenbuchauflage aber die gleiche Wirkung erzielt werden solle. Auch der Kläger habe sein Motorrad in den Wintermonaten jeweils durchschnittlich sechs Monate außer Betrieb gesetzt. Die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen. Gegen die vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen für die Festlegung der Dauer der Fahrtenbuchauflage war revisionsrechtlich nicht zu erinnern. Der Beklagte bemisst die Dauer zu Recht grundsätzlich nach der Gewichtigkeit des Verkehrsverstoßes, dessen Täter trotz hinreichender Aufklärungsbemühungen nicht ermittelt werden konnte. Ebenso wenig war die Verlängerung der Fahrtenbuchauflage zu beanstanden, die der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis vorsieht, wenn es sich bei dem Tatfahrzeug – wie auch im Falle des Klägers – um ein nur saisonal genutztes Motorrad handelt; ein solches Vorgehen genügt den Anforderungen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In solchen Fällen dient die Bestimmung einer längeren Frist als bei typischerweise ganzjährig genutzten Personenkraftwagen dazu zu verhindern, dass die zum Schutz der Verkehrssicherheit ergangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, teilweise – nämlich in der Zeit der Stilllegung des Motorrads – leerläuft. Zugleich wird der Halter eines nur saisonal genutzten Motorrads durch die Fahrtenbuchanordnung während der Zeit ohnehin nicht belastet, in der er sein Fahrzeug außer Betrieb genommen hat.

BVerwG 3 C 13.14 – Urteil vom 28. Mai 2015

Vorinstanzen:
OVG Lüneburg 12 LB 76/14 – Urteil vom 08. Juli 2014
VG Stade 1 A 1328/11 – Urteil vom 08. März 2013

517625_web_R_by_Claus Zewe_pixelio.deBei der Bemessung Dauer der Fahrtenbuchauflage müssen – dieser Verwaltungs-Logik folgend – also die Zeiten berücksichtigt werden, in denen das Fahrzeug – Auto oder Motorrad – nicht bewegt wird. Ich rege daher an, pendelnden Inhabern von Monatskarten des ÖPNV pauschal 2 Monate oben drauf zu geben, weil die ja zweimal täglich kein Benzin verbrennen. Und wenn diese Klientel dann auch noch ein Fahrrad hat, mit dem sie beim Bäcker ihre Brötchen holt, gibt es nochmal einen Nachschlag von 1 Monat.

Wie man diesem Unsinn am besten entgeht? Man nimmt die Fahrtenbuchauflagebehörden mit ihren stumpfen Schwertern erst gar nicht mehr ernst. Mittlerweile gibt es noch nicht einmal mehr Punkte in Flensburg, wenn man zu dusselig war, sich beim Fahrtenbuchnichtführen erwischen zu lassen.

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Bild: © Claus Zewe / pixelio.de

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Richter mit Trillerpfeifen in Brandenburg

93750_web_R_K_B_by_Claudia Hautumm_pixelio.deEs reicht!

So ist auf der Seite des Deutschen Richterbundes – Landesverband Brandenburg – zu lesen. Und deswegen rufen Richter und Staatsanwälte auf, ihre Rechte aus Art. 8 GG wahrzunehmen und am heutigen Donnerstag in Potsdam zu demonstrieren:

 

Der Deutsche Richterbund – Landesverband Brandenburg – ruft […] alle Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dazu auf, am Donnerstag, 28. Mai 2015 zu der 1. Landesweiten Demonstration der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte für den Erhalt des Rechtsstaats nach Potsdam zu kommen und dort gemeinsam als Justiz den Vertretern der beiden anderen Staatsgewalten deutlich zu machen, dass auch Recht seinen Preis hat.

Die Organe der Rechtspflege werden gebeten …

in angemessener Demonstrationskleidung

… auf der Demo zu erscheinen. Die Formulierung zeigt, das wird keine Kreuzberger Revolutionäre 28.-Mai-Demo in Potsdam werden. Aber immerhin:

Für Trillerpfeifen […] sorgt der Richterbund.

Aber jetzt ernsthaft:
Die Streichlisten der Landeshaushälter werden nicht zur Optimierung der jetzt schon auch aus Verteidigersicht katastrophalen Verhältnisse der Brandenburger (Straf-)Justiz führen. Deswegen möchte ich mich von hier aus der Forderung der Richter anschließen:

Die respektlose Behandlung der Dritten Staatsgewalt nach Gutsherrenart muss ein Ende haben.

Wobei für einen Strafverteidiger nicht die Arbeitsbelastung der Richter und Staatsanwälte im Vordergrund steht, sondern die Rechte der Beschuldigten und Angeklagten, die einer überlasteten Justiz stets recht hilflos ausgeliefert sind.

Weitere Informationen über das aktuelle Anliegen der Richter und Staatsanwälte und weitere Hinweise gibt es hier.

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Bild: © Claudia Hautumm / pixelio.de

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Justizmoloch, Vernunft und Erfahrung

molochUm in einer Massenjuristenhaltung arbeiten zu können, braucht man ganz besondere Eigenschaften: Dickes Fell, stoische Ruhe und weitestgehende Freiheit von emotionalen Schwankungen. Anders ist das doch in einem Justizmolloch – wie zum Beispiel Moabit – nicht auszuhalten.

 
Ein Fall aus dem prallen Leben der Strafjustiz:
Es gibt ein recht großes Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln. Ein paar Jahre läuft das dort schon; Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung toben sich derzeit im Zwischenverfahren aus. Das Oberlandesgericht Köln soll Ruhe in den Karton bringen, das wird aber noch etwas dauern.

Wegen anderer Taten, die sich aber in demselben Lebenssachverhalt (wie in der Kölner Sache) zugetragen haben, gibt es ein weiteres Verfahren, und zwar in Berlin. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat hier Anklage zum Schöffengericht erhoben. Der Richter, ein ganz vernünftiger und erfahrener Mann, packt sich an den Kopf: Warum müssen wegen ein und derselben Sache zwei Gerichte bemüht werden? Er will die Berliner Anklage nach Köln abgeben.

Die Kölner aber sind satt; sie wollen nicht noch einen Nachschlag und verweigern die Annahme.

Über diese Zuständigkeitsfragen muß nun ein drittes Gericht entscheiden. Aus mir nicht bekannten (mir aber gleichgültigen) Gründen ist dieses Gericht der Bundesgerichtshof (BGH), dem der Streit per Vorlagebeschluß des AG Tiergarten auf den Tisch gelegt wird.

Vorlagebeschluß

Wie es sich gehört, muß nun – audiatur et altera pars – auch die Gegenseite gehört werden. Diese wird vom Generalbundesanwalt vertreten.

GBA

… bekommt nun im September 2014 …

Aktenbände

… zur Stellungnahme übersandt.

Stoisch, wie auch Generalbundesanwälte nun mal sind und sein müssen (s.o.), werden die Akten eingehend studiert, um dann im April 2015 die gewünschte Stellunggabe an den BGH zu übermitteln. Nicht ohne den für Staatsanwälte typischen Reflexantrag, alles abzulehnen, was nicht aus dem eigenen Hause stammt:

StellungnahmeGBA

Soweit der normale Gang.

Exkurs:
Nicht unerwähnt bleiben sollte an dieser Stelle, daß mir – als Verteidiger – anschließend der Vorlagebeschluß des AG und die Stellungnahme des GBA (ohne die Akten!) zur meinerseitigen Stellungnahme – audiatur et advocatus (s.o.) – zu übermitteln.

BGH an RA

Die Unterstreichung stammt nicht von mir! Die Ri’nBGH kennt Verteidiger eben: Wenn ein GBA ein halbes Jahr für eine Stellungnahme braucht, schafft das ein Verteidiger locker in zwei Wochen.

Aber was ich eigentlich sagen wollte.
In der vergangenen Woche erhielt ich von dem vernünftigen und erfahrenen Mann (s.o.) einen Anruf. Der Richter wäre mir sehr verbunden, wenn ich ihm die Stellungnahme des GBA übermitteln könnte.

BGH und GBA halten es offenbar für entbehrlich, den Initiator dieses Verfahrens über dessen Fortgang zu unterrichten. Das ist ja auch nur ein kleiner Richter am Amtsgericht, was hat der denn schon zu melden. Aus einem solchen Verhalten spricht dieselbe Arroganz, die mir als Verteidiger mit dieser Zweiwochenfrist entgegen gebracht wird.

Mir als freies Organ der Rechtspflege stehen ein ganzer Strauß von Möglichkeiten zur Verfügung, auf diese Gedankenlosigkeit zu reagieren. Ich muß nicht frustiert anmerken: „So ist das nunmal bei uns!“

Mich wundert, warum vernünftige, erfahrene Männer sich das bieten lassen und nicht laut schimpfend den Moloch verlassen. Vernunft und Erfahrung sind offenbar nicht die entscheidenden Qualitätskriterien für die Ausübung des Richterberufs.

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Karstadtkarneval

Die Gelegenheit war günstig: Am Morgen nach dem Kulturen-Karneval gab es säckeweise freie Parkplätze an der Karanwanenstrecke. Auf dem besten steht nun die Wanne: Hermannplatz / Ecke Hasenheide – das Tor zu Neukölln. Bei Karstadt.

Kanzleikarstadt

Doch wer findet den Fehler?

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Prinzipienrichter

Es geht um eine kleine Strafsache. Irgendwas mit Drogen. Der Beschuldigte ist zur Zeit aber nicht … sagen wir mal … zustellfähig. Und weil ich nun mal keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht habe – und das obwohl mich der Richter dringend dazu aufforderte -, kann man mir als Verteidiger auch nichts zustellen, was eigentlich an den Beschuldigten gerichtet ist. Das hatte der Richter nach einigem Hin und Her dann auch akzeptiert.

Der zweite Versuch des Richters, beim Einwohnermeldeamt eine aktuelle Anschrift zu bekommen, um das Verfahren voran zu bringen, scheiterte: Unbekannt verzogen, hieß es dort.

Danach kam dann der richterliche Anruf in unserer Kanzlei.

Richter
Könnten Sie mir bitte mal eben die aktuelle Anschrift Ihres Mandanten D. mitteilen?

Assistentin des Strafverteidigers
Nein!

Richter
Warum nicht? Wissen Sie nicht, wo er sich aufhält.

Assistentin des Strafverteidigers
Mein Chef hat mir gesagt, solche Fragen soll ich mit dem Hinweis auf das Mandatsgeheimnis und § 203 StGB nicht beantworten.

Richter
Ihr Chef ist ein weiser Mann.

Und der Richter ist ein zielstrebiger, der nicht locker läßt. Er startet den vierten Versuch:

Informatorische Befragung

Ich habe dem Vater meines Mandanten § 52 StPO vorgelesen, als er mich angerufen hat. Der Richter hatte wohl völlig vergessen, dem Vater auch zu schreiben, daß er die Frage nicht beantworten muß.

Wie nicht anders zu erwarten, gibt der Richter nicht auf:

HB beantragen

Er schickt also die Akten an die Staatsanwaltschaft und regt den Erlaß eines Haftbefehls an. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Glücklicherweise gibt es in Moabit aber auch Staatsanwälte mit Augenmaß:

HB nicht verhältnismäßig

Worum ging es? Was hat diesen offenbar völlig unterbeschäftigten Richter zu diesem Aktionismus getrieben. Die Akte ist zwischenzeitlich auf knapp 150 Blatt angewachsen.

Zur Last gelegt

Tja, wen dieser Richter einmal am Wickel hat, den läßt er nicht mehr los. Es geht schließlich um’s Prinzip.

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Entschuldigte Arme und faule Beine

627513_web_R_K_B_by_Petra Bork_pixelio.deWann darf ein Betroffener (im Bußgeldverfahren) oder ein Angeklagter (im Strafverfahren) der Verhandlung fern bleiben, obwohl er ordnungsgemäß geladen wurde? Diese Frage beschäftigen immer mal wieder Gerichte und Verteidiger.

Grundsätzlich gilt – Achtung: Schönes Wort! – die Erscheinenspflicht.

Wer Grundsatz sagt, meint Ausnahmen. Die Ausnahme von dieser Pflicht besteht nach landläufiger Sicht in der Verhandlungsunfähigkeit. Wer verhandlungsunfähig ist, muß nicht verhandeln. Kann also entschuldigt der Gerichtsverhandlung fernbleiben.

Das wird von meinen Mandanten schon mal mistverstanden: Sie legen mir bzw. dem Gericht eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Wer arbeitsunfähig ist, ist nicht „automatisch“ auch verhandlungsunfähig – man denke beispielsweise an den eingegipsten Arm einer Berufspianistin. Klavierspielen geht nicht mehr, wohl aber Fragen beantworten oder sich zum schweigenden Stillsitzen entscheiden.

Die Grenzen sind aber fließend. Und es hängt einmal mehr von dem Bein ab, mit dem der Richter morgens früh aus dem Bette gestiegen ist. Eine Richterin am Amtsgericht Tiergarten ist dabei aber auf dem falschen Fuß erwischt worden: Das Kammergericht (Beschluss vom 18.03.2015, Az. 3 Ws (B) 58/15 – 162 Ss 11/15) hat ihre Entscheidung aufgehoben, weil ihr der Fußweg vom Richtertisch zum Telefon im Beratungszimmer zu weit war.

In dieser Entscheidung steht ein bemerkenswerter Satz, den ich nun in unsere Textbausteinsammlung übernehmen werde:

Beste­hen Anhalts­punkte für eine Erkran­kung des Betrof­fe­nen ist sein Aus­blei­ben nicht erst dann ent­schul­digt, wenn er ver­hand­lungs­un­fä­hig ist. Es genügt viel­mehr, dass ihm infolge der Erkran­kung das Erschei­nen vor Gericht nicht zuzu­mu­ten ist. Dar­über hin­aus kann ein Betrof­fe­ner auch in sub­jek­ti­ver Hin­sicht ent­schul­digt sein, etwa weil er im Ver­trauen auf ein ärzt­li­ches Attest davon aus­ge­gan­gen ist, ein Erschei­nen sei ihm krank­heits­be­dingt nicht zuzu­mu­ten (vgl. KG Berlin, 3. Senat für Bußgeldsachen, NZV 2002, 421 m.w.N.).

Manchmal reicht dann doch ein ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit, sofern es in salbungsvolle Worte eines Strafverteidigers eingekleidet wird.

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Bild: © Petra Bork / pixelio.de

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Anarchie – erstmal bei Penny!

Weit und breit kein freier Parkplatz für die Wanne in Kreuzberg. Für den Karneval der Kulturen muß man eben bereit sein, Opfer zu bringen.

Kundenparkplatz

Der Pennymarkt neben der Gefangenensammelstelle hat einen Kundenparkplatz, mit dem das Unternehmen auch einen Teil seiner Umsätze generiert.

Kundenparkplatz2

Die Vertragsstrafe könnte fällig geworden sein, nachdem die Wanne von Sonntag auf Montag da ohne Parkscheibe gestanden hat. Ich bin gespannt, ob die Pennymacher die 19,90 Euro einfordern. Und von wem.

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