Schadensersatz bei Unfall während der Probefahrt.
Die Saison hat begonnen. Das alte Mopped gefällt nicht mehr; ein neues soll es werden. Ganz neu geht nicht, also eine Gebrauchte.
Und schon fangen die Probleme an: Die Alte muß verkauft werden. Die Neue muß gekauft werden. Was passiert aber, wenn es dem Probefahrer nicht gelingt, das Krad auf seinen beiden Rädern zu halten. Und: Was passiert eigentlich, wenn es nach Übergabe des Krades an den Käufer zu einem Unfall mit einem Dritten kommt? Zur Einstimmung und um klar zu machen, was überhaupt alles schieflaufen kann, eine paar Fallstudien.
Wilhelm Brause will seine CBX 1000 loswerden. Bulli Bullmann braucht ein kräftiges Mopped. Nach kurzem Gespräch über die Vorzüge eines Sechszylindermotors beginnt die Probefahrt. Sie endet nach 100 m im Vorgarten von Mütterchen Mü, da Bullmann die Kurve nicht bekommen hatte. Wer kommt für den Schaden an Brauses Mopped auf? Und wer ersetzt den Jägerzaun und die Erdbeeren von Mü?
I. Schaden am Mopped
Grundsätzlich hat derjenige den Schaden zu ersetzen, der ihn schuldhaft verursacht hat. Aber wofür brauchte man noch einen Anwalt , wenn alles sooo einfach wäre. ;-)
1. Grobe Fahrlässigkeit
Unterstellen wir einfach erst einmal, daß Bullmann die Leistung der CBX unterschätzt hat, weil er mit einer BAK von 1,6 o/oo nicht mehr ganz so gut drauf war. Dann ist die Sache klar, sofern Brause davon nichts wußte: Bullmann muß den Schaden ersetzen, weil er grob fahrlässig gehandelt hat.
2. Leichte Fahrlässigkeit
Was aber, wenn Bullmann nüchtern das wackelige Fahrwerk und die schlechten Bremsen nicht in den Griff bekommen hat, ihm also nur der Vorwurf einer leichten Fahrlässigkeit zu machen ist? Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet, leider.
a. Haftungsausschluß?
Ein Teil der („alten“) Richter meint, zwischen Käufer und Verkäufer sei immer – stillschweigend! – ein Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit vereinbart. Diese Ansicht führt im vorliegenden Fall dazu, daß der Probefahrer Bullmann den Schaden am Mopped nicht zu ersetzen hat! Wegen des stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses hat der Verkäufer, hier also Brause, den Schaden selbst zu tragen, obwohl er ihn gar nicht angerichtet hat.
b. Es kommt ´mal wieder drauf an
Die neuere Rechtsprechung beginnt, juristische Haare zu spalten: Wenn Wilhelm Brause ein Händler ist, kann Bullmann als ahnungsloser Kunde darauf vertrauen, daß die Probefahrt (irgendwie) versichert ist und der Händler einen leicht fahrlässig verursachten Unfall als Betriebsrisiko hinnehmen will, da er ansonsten kein Fahrzeug verkauft bekommt. In der Konstellation Händler ./. Kunde gehen die Richter also davon aus, daß der stillschweigend vereinbarte Haftungsausschluß wirksam ist. In der Konsequenz bedeutet dies, daß der Händler bzw. Verkäufer die Schäden am Krad selbst zu tragen hat, wenn sein Kunde leicht fahrlässig damit umgefallen ist. Wenn aber der Verkäufer aber ein armer Ahnungsloser ist, also ein schlichter privater Verkäufer, unterstellen die („jungen“) Richter, daß hier nichts stillschweigend vereinbart wird. Es bleibt also bei der Standardregel: Wer was kaputt macht, egal ob leicht oder grob fahrlässig, muß es ersetzen.
c. Abgrenzung
Diese Haarspalterei ist unbefriedigend, da es in der Praxis zwangsläufig zu Abgrenzungproblemen führt: Wann ist jemand Händler? Schon der „schwarze“ Hinterhofschrauber? Oder doch erst die BMW AG Niederlassung? Wo liegt die Grenze zwischen grober und einfacher Fahrlässigkeit? Überfahren eines Stop-Schilds oder erst einer roten Ampel? Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts um 20 km/h oder doch erst ab 40 km/h?
d. Ratschlag
Dieser Streiterei kann man recht einfach aus dem Wege gehen. Verkäufer – egal ob Profi oder Laie – und Kaufinteressent sollten sich am besten schriftlich über die Haftungsfrage einigen. Beispielsweise so: „Zwischen Wilhelm Brause und Bulli Bullmann wird vereinbart, daß Bullmann auch für Schäden haftet, die er leicht fahrlässig verursacht.“ oder „Ein Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit wird zwischen Wilhelm Brause und Bulli Bullmann nicht vereinbart.“ Oder eben umgekehrt, wenn der Verkäufer für leichte Fahrlässigkeit des Probefahrers haften will.
II. Schaden an Zaun und Erdbeeren
Interessant ist auch die Frage, wer von den beiden den Schaden von Mütterchen Mü zu ersetzen hat. Mü befindet sich – ‚mal abgesehen von den Erdbeeren und dem Zaun – in einer glücklichen Lage: Sie hat die freie Auswahl – und zwar zwischen Brause, Bullmann und dem Haftpflichtversicherer des Moppeds. Regelmäßig wird der Versicherer in Anspruch genommen. Denn der hat meist das nötige Kleingeld, um den Schaden zu ersetzen. Aber schlußendlich bleibt’s dann doch wieder am Versicherungsnehmer, also an Brause als Verkäufer, hängen. Denn Brause verliert seinen Schadensfreiheitsrabatt. Und ob er diesen Rückstufungsschaden von Bullmann ersetzt bekommt, richtet sich dann wieder nach der Frage: Grob oder leicht fahrlässig, Haftungsausschluß oder nicht?
Insgesamt ist also eine Einigung über den Haftungsfall vor der Probefahrt immer dringend zur empfehlen.