Zurück

Flüchtling

Ein nicht zu unterschätzendes Risiko geht derjenige ein, der sich nach einem Verkehrsunfall vom Unfallort entfernt, ohne zuvor die Feststellung seiner Personalien ermöglicht zu haben.

Graf Gottfried von Gluffke, seines Zeichens S-Klasse-Fahrer, hat es eilig. Er will pünktlich am Flughafen sein, um die aus ihrer Kur zurückkehrende Mütterchen Mü rechtzeitig in Empfang zu nehmen. Kurz vor dem Ziel übersieht er das Vorfahrt-Achten-Schild, es kommt zum unfreundlichen Kontakt mit dem vorfahrtsberechtigten Bulli Bullmann in seinem 7er-BMW.

Gluffke kümmert sich kurz um Bullmann, der augenscheinlich unverletzt geblieben ist, zeichnet gedanklich das Bild einer armen, auf dem Flughafen herumirrenden Mü und räumt schlagartig die Unfallstelle mit quietschenden Reifen. Dumm nur, daß die vordere Stoßstange der S-Klasse samt Kennzeichentafel am Tatort zurückbleiben.

Zurückgekehrt an den heimischen Herd bekommt Gluffke ein paar Stunden später Besuch von den freundlichen Helfern. Der Frontschaden an der Karosse und die Fahrerbeschreibung, die Bullmann geliefert hatte, lassen Gluffke keine Chance.

Was jetzt folgt, bereitet langfristig keine Freude mehr. Gluffke rechnet zwar damit, daß ihm die Staatsgewalt nun auf die Finger klopft, aber daß es richtig dicke kommt, sagt er, hätte er nicht voraussehen können. Doch, sagt der eifrige Leser dieser Website.

Üblich für den Ersttäter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist eine Geldstrafe in Höhe von etwa 40 bis 60 mal ein Dreißigstel des Nettomonatsgehaltes. Nun gut, wer dicke Autos fährt, dem macht das nicht viel. Der andere zahlt eben in Raten in die Staatskasse.

Ganz empfindlich reagiert Gluffke allerdings auf den Entzug seiner Fahrerlaubnis für etwa 12 Monate.

Das war alles? Bei weitem nicht! Wer zahlt eigentlich den Schaden am BMW des Bullmann? Sicher, erst einmal die Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherung von Gluffke. Diese nimmt den Flüchtling jedoch bis zu 5.000,00 EUR in Regreß, weil er sich nicht an die Vereinbarungen in dem Versicherungsvertrag gehalten hat – nämlich den Unfallort nicht unerlaubt zu verlassen.

Schließlich freut sich noch die Vollkaskoversicherung, die den Schaden am (hoffentlich) eigenen Fahrzeug des Gluffke nicht zu ersetzen braucht – aus den gleichen Gründen wie der Haftpflichtversicherer. Gluffke hat seine Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht erfüllt. Er hätte eben an Ort und Stelle bleiben – und Mü warten lassen – müssen.

Man braucht schon fast ein Mathematikstudium, um die finanzielle Gesamtbelastung zu berechnen, wenn man in einem kurzen Moment die falsche Entscheidung trifft. Das zusätzlich anfallende Verteidigerhonorar macht da nur den geringsten Teil aus. Für das Geld muß Mütterchen Mü eine lange Zeit stricken.

Nicht nur nebenbei: Die Variante des obigen Falles, nämlich am Unfallort zu bleiben, obwohl man zwei Bierchen getrunken und eine Blutalkoholkonzentration von etwa „nur“ 0,4 o/oo hat, führt schlußendlich meist zum gleichen Ergebnis. Richtig spannend wird es, wenn der Flüchtling alkoholisiert war.

Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma besteht eigentlich darin, zum einen ausschließlich und völlig nüchtern zu fahren, zum anderen dort zu bleiben, wo die Kalt-Verformung von Blech stattgefunden hat. Andere Ansichten sind kaum vertretbar.

Zurück