Parkende Zweiräder auf Gehwegen
Nicht immer werden Motorradfahrer im Verhältnis zu den Autofahrern nur benachteiligt. Es gibt Situationen im Straßenverkehrsrecht, da genießt der Moppedfahrer auch gewisse Privilegien.
Bulli Bullmann fällt am 23.12. siedendheiß ein, daß er noch ein Weihnachtsgeschenk für seine Oma, Mütterchen Mü, braucht. Also rein in die Thermokombi und ab mit der GS ins weihnachtliche Getümmel der Großstadt. Ein Kochbuch soll es sein, deswegen steuert Bullmann den Buchhandel in der Innenstadt an. Da vor Ort erwartungsgemäß kein offizieller Parkplatz mehr frei ist, hoppelt Bullmann auf den Gehweg und stellt die GS in der Nähe des Eingangs zur Buchhandlung ab. Er verstaut den Helm in das topcase, grüßt freundlich den patroullierenden Polizisten und verschwindet im Laden.
Als er 10 Minuten später zu seinem Moped zurückkommt, steht der freundliche Polizist neben dem Mopped und fragt Bullmann nach der Funktionsweise der selbstgebastelten Heizgriffe. Erst nachdem Bullmann ihm in aller epischen Breite Rede und Antwort gestanden hat, entließ der Freund und Helfer Mütterchen Mü’s Enkel wieder in den fließenden Verkehr.
Der Verkehrsrechtskenner fragt sich verwundert, ob denn hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Bullmann fährt mit einem Kraftrad auf den Gehweg, parkt das Kraftrad auf dem Gehweg und fährt anschließend mit dem Kraftrad über den Gehweg wieder auf die Straße. Schaut man mal in die StVO, findet man recht schnell heraus, daß Bullmann gleich dreimal jeweils eine Knolle verdient hätte. Warum greift der Kontaktbereichsbeamte (KOB) da nicht ein?
Bei dem Erlaß eines Bußgeld- oder Verwarnungsgeldbescheides verfügt die Polizeibehörde über einen Ermessensspielraum. Dieses Ermessen umfaßt unter anderem auch ein sogenannte Entschließungsermessen; der KOB fragt sich also: „Soll ich nun einschreiten oder soll ich nicht?“
Im vorliegenden Fall hat die Patroullie davon abgesehen, Bullmann in die Verantwortung zu nehmen. Aber auch in all den anderen Fällen, in denen Mopeds, Moppeds oder Roller auf dem Gehweg abgestellt werden, werden keine Knollen verteilt, jedenfalls nicht in den meisten aller deutschen Großstädte. Es scheint also System dahinter zu stecken, wenn die Polizei die zweiradfahrenden Falschparker nicht verfolgt.
Jedoch: Auf der Suche nach einer entsprechenden Rechtsnorm oder auch nur nach einer Verwaltungsvorschrift, die das Ermessen der Polizei entsprechend steuert, wird man weder in Berlin noch anderswo fündig. Da half nur noch ein Anruf bei der Landesschutzpolizei weiter. Der hilfsbereite Innendienstler teilte dem Autor freundlich mit, daß es ein stilles agreement gibt: Solange das Zweirad keinen anderen über die Maßen behindert, wird von dem Erschließungsermessen dergestalt Gebrauch gemacht, daß das eigentliche Falschparken hingenommen wird. Der Landesschutzpolizist erläuterte – sinngemäß und nachvollziehbar: „Wenn auch noch die Motorradfahrer die offiziellen Parkplätze der Innenstadt benutzen, ist das Chaos perfekt.“
Recht hat er. Es gab in der jüngsten Vergangenheit einmal eine Stadtverwaltung, die dem Übel des Falschparkens auf den Leib gerückt war. Die Polizisten bekamen die Anweisung, auch die auf Gehweg parkenden Zweiradfahrer zu belangen. Der örtliche Motorradclub rief daraufhin alle Moppedfahrer auf, an einem Samstag in die Innenstadt zu kommen – um dort ordnungsgemäß zu parken. Es waren zwar nur ein paar hundert Zweiradler, die dem Ruf folgten, aber das reichte, um die Stadtoberen zur Rücknahme ihrer Anweisung zu veranlassen. Fortan wurde das „Falschparken“ wieder hingenommen.
Nun gibt es in diesem Zusammenhang ja noch die Frage, wie es denn mit Parkscheiben, Parkuhren und Parkraumbewirtschaftung aussieht. An einem Mopped läßt sich ja schlecht eine Parkscheibe oder ein Parkticket – diebstahlsicher – befestigen. Dem Autor ist auch ein Fall bekannt geworden, wo ein parkplatzsuchender PKW-Fahrer ein Motorrad einfach beseite geschoben hat, weil der PKW-Fahrer meinte, es sei Platzverschwendung, wenn ein Mopped allein vor der Parkuhr steht. Insoweit hatte der Autofahrer durchaus recht; nur hätte er das Mopped eben nicht umfallen lassen dürfen.
Interessant ist auch die Frage: Wenn zwei Moppeds auf einem Parkuhrenparkplatz stehen, wer bekommt dann die Knolle? Um diesen Fragen aus dem Wege zu gehen, riet besagter Landeschutzpolizist, die Moppeds eben auf den Gehweg zu stellen. Aber bitteschön so, daß niemand behindert wird.
Abschließend noch ein Tip: Wenn man sich nicht sicher ist, ob das Parken auf dem Gehweg vor der eigenen Haustür akzeptiert wird, frage man am besten „seinen“ KOB; der hilft ganz bestimmt bei der Parkplatzsuche, jedenfalls dann, wenn man ihm einen schönen Gruß vom Autor bestellt. Bei aller unterschiedlicher Behandlung, die uns Motorradfahrern im Verhältnis zu Autofahrern widerfährt, sollten wir künftig nicht vergessen: Ein paar Vorteile hat es eben doch noch, Moppedfahrer zu sein.