Wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitungen führen zu erhöhten Sanktionen.
Ein immer wieder gern gesehener Katalog stammt nicht von einem Versandhaus, sondern aus dem Hause des Bundesverkehrsministeriums: Der Bußgeldkatalog.
Hinreichend bekannt ist, daß z.B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung zwischen 1 und 4 Punkten und 1 bis 3 Monate Fahrverbot nach sich ziehen kann. Was passiert aber, wenn es sich nicht um eine, sondern um eine wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung handelt? Zur Verdeutlichung ein Beispielfall:
Auf der Stadtautobahn nachts um halbeins: Wer fährt so spät durch Nacht und Wind? Wilhelm Brause – und zwar geschwind. Das LAVEG – Lasermeßgerät zeigt statt der erlaubten 80 km/h an, daß Brause mit 140 km/h den heimatlichen Hof angesteuert hat. Toleranzbereinigt bleiben 126 km/h übrig.
Am 2. Mai 1998 bekommt Brause Post vom PolPräs: 46 km/h zu schnell. Macht DM 250,00, 4 Flens, 1 Monat Fahrverbot. Die Saison hat also begonnen! Brause legt keinen Einspruch ein, der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig am 16. Mai 1998.
Die 99er Saison beginnt ähnlich wie die 98er: Auf der Stadtautobahn mit toleranzbereinigten 107 km/h. Brause bekommt am 1. April 1999 erneut einen Bußgeldbescheid: 27 km/h zu schnell. Macht DM 200,00, 3 Flens, 1 Monat Fahrverbot, meint der PolPräs. Uups! Brause wundert sich und konsultiert Rechtsanwalt Rudolf Ratte. Der legt erst einmal für Brause Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und prüft anschließend (!) die Rechtslage. 27 km/h zu schnell innerhalb geschlossener Ortschaften, DM 150,00 (statt DM 120,00) und dann auch noch ein Fahrverbot?
Ratte kommt zum Ergebnis: Zunächst erst einmal alles korrekt! Zum einen liegt die Stadtautobahn – wie der Name schon sagt – innerorts (Gleiches gilt übrigens auch für die Schnellstraßen, z.B. für den Adenauertunnel in Berlin). Zum anderen reichen im Wiederholungsfalle innerhalb eines Jahres bereits 26 km/h (und nicht erst 30 km/h) aus, um ein Fahrverbot auszusprechen und die Geldbuße „wegen Voreintragungen“ zu erhöhen.
Was bleibt also als Verteidigungsmöglichkeit? Zeit gewinnen! Schauen wir uns die Rechtslage aber einmal etwas genauer an.
Eintragungen in das Verkehrszentralregister werden bei Ordnungswidrigkeiten 2 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft gelöscht, wenn innerhalb dieser Zeit keine neuen Eintragungen hinzukommen. Bei „neuen“ Punkten beginnt die 2-Jahresfrist von vorn zu laufen – und zwar dann für alle eingetragene Punkte. Solange das Register „Voreintragungen“ hat, kann (wird?) die Bußgeldstelle die Geldbuße erhöhen.
Ähnliches gilt für das Fahrverbot, das verhängt werden kann, wenn eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 30 km/h innerorts vorliegt. Kommt es aber binnen Jahresfrist nach Rechtskraft der ersten Entscheidung zu einer weiteren Überschreitung, kann die Behörde bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h ein Fahrverbot verhängen.
In dem obigen Beispielsfall hilft das Zeitgewinnen nur bedingt. Die Erhöhung der Geldbuße hängt von den Voreintragungen ab. Sind sie getilgt oder tilgungsreif, dürfen sie nicht mehr berücksichtigt werden. Wenn es dem Rechtsanwalt Ratte gelingt, das Verfahren bis mindestens 16. Mai 1999 in die Länge zu ziehen, sind die Voreintragungen Brauses tilgungsreif und dürfen bei der Festsetzung der Geldbuße nicht mehr berücksichtigt werden. Bei dem Arbeitstempo der Berliner Gerichte klappt das mit ein wenig Geschick ganz locker.
Das Fahrverbot wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung bekommt er aber nicht weg: Hier ist entscheidend, wann die Taten begangen wurden, nicht wann über sie geurteilt wird. Da die Voreintragung am 16. Mai 1998 rechtskräftig geworden ist und Brause vor dem 16. Mai 1999 mindestens 26 km/h zu schnell war, wird die Behörde und das Gericht in aller Regel beim Fahrverbot bleiben.
Nur zur Abrundung noch eine Entscheidung des Kammergerichts: Wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung 50 % über dem angeordneten Limit liegt, kann der Richter ohne weiteres von einer Vorsatztat ausgehen. Bei Vorsatz gibt’s ebenfalls eine Erhöhung des Regelsatzes. Man sollte sich also regelmäßig an die Verkehrsregeln halten, sei es auch nur wegen des eigenen Geldbeutels.