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Trügerische Sicherheit

Grobe Fahrlässigkeit und Kasko-Versicherungsschutz

Da hat man nun teueres Geld für eine Vollkaskoversicherung des neuen Moppeds abgeschlossen. Aber kann man auch sicher sein, daß der Versicherer auch zahlt, wenn es einmal schiefgeht?

Kurvenreiche Straße – Wilhelm Brause – 130 PS aus einem italienischen V2. Wer Brause kennt, weiß: Das kann nicht gutgehen. Bereits am Ortsausgangschild zeigt die Nadel des Drehzahlmessers auf rote Zahlen. Brause freut sich schon auf die Rechts-Links-Kombination, bereitet sich auf das hanging off vor, als vor ihm Mütterchen Mü mit ihrem Trabant auftaucht. Brause schaltet runter, gibt Gaaaas und zieht an dem Trabbi vorbei. Bremsen, abwinkeln, erster Bodenkontakt der rechten Fußspitze, dann der Knieschleifer; es reicht nicht, Brause bereut das riskante Überholmanöver so knapp vor der Kurve und rutscht hinter der Duc ins nicht vorhandene Kiesbett.

Die Verletzungen halten sich in Grenzen, die schöne Italienerin ist jedoch dahin. Macht nichts, denkt sich Brause, ich habe ja eine Vollkasko … die in diesem Fall jedoch nicht zu zahlen braucht.

§ 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) regelt nämlich die Leistungsfreiheit bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.

Brauses Verhalten ist als grob fahrlässig zu charakterisieren. Er hat sich hinsichtlich der Überholstrecke, der Geschwindigkeit des Trabant und der möglichen Kurvengeschwindigkeit verschätzt. Die Fehleinschätzung kann ihn jedoch nicht entlasten. Ausgang und Ursprung des Unfalls war der Überholvorgang knapp vor der Kurve. Dies ist eines der gefahrträchtigsten Fahrmanöver schlechthin. Es verlangt gesteigerte Sorgfalt und Aufmerksamkeit. Deshalb schließt ein kurzes Versehen oder Verschätzen den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht aus. Der Unfall beruht letztlich auf der Geschwindigkeit, die wegen des grob verkehrswidrigen Überholvorgangs überhöht war.

Damit hat Brause durch sein Verhalten den (subjektiven) Risikoausschluß mit der Folge bewirkt, daß der Kaskoversicherer den Schaden nicht zu ersetzen braucht. Während der Vorsatz, also das bewußte und gewollte Herbeiführen eines Schadens, keine Abgrenzungsprobleme bereitet, ist es hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit schon schwieriger.

Die Juristen versuchen dies mit Definitionen, die dem juristischen Laien in den meisten Fällen auch nicht viel weiterhelfen: Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Anders formuliert: Wenn man sich an den Kopf faßt und sich sagt: „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, dann liegt grobe Fahrlässigkeit vor.

Welche Standardfälle der groben Fahrlässigkeit gibt es nun, die den u.a. Kaskoversicherungsschutz gefährden? Der Rotlichtverstoß ist zum Beispiel der klassische Fall eines besonderen Maßes an Unaufmerksamkeit. Überfahren eines angekündigten Stoppschildes. Bei LKW-Fahrern: Mißachtung einer Durchfahrtshöhenbegrenzung. Bei PKW-Fahrern: Bücken nach einem Gegenstand während der Fahrt. Motorradschlüssel in der Jacke, die im Festzelt über den Stuhl gehängt wird. Abstellen eines Krades für sechs Tage auf einer Autobahnraststätte, nur mit dem Lenkerschloß gesichert.

Schwieriger zu beurteilen sind folgende Fälle: Steckenlassen des Zündschlüssels, um kurz in Sichtweite des Moppeds zu telefonieren; CD-Wechsel während der Fahrt; überhöhte Geschwindigkeit an Kreuzungen und Einmündungen außerhalb geschlossener Ortschaften; „leichtfertiges“ Überholen; verbotswidriges Linksabbiegen ohne Beachtung des Gegenverkehrs. Diese Fälle entschieden die Gerichte unterschiedlich.

Ganz problematisch ist in diesem Zusammenhang das Fahren unter Alkoholeinfluß. Liegt die Blutalkoholkonzentration (BAK) bei über 1,1 o/oo, ist grobe Fahrlässigkeit einfach zu bejahen. Bei darunter liegender BAK kann aber auch schon grobe Fahrlässigkeit bejaht werden, wenn Umstände hinzutreten, die auf die Fahruntüchtigkeit hinweisen, also z.B. ein Unfall.

Wohin die grobe Fahrlässigkeit führen kann und wie nahe dran man manchmal ist, zeigt folgender Fall, den wir in unserer Kanzlei zu bearbeiten hatten: Versicherungsvertreter W. feiert den Abschluß eines guten Geschäfts mit 3 Gläsern Sekt: Später festgestellte BAK 0,48 o/oo. Auf dem Weg nach Hause bleibt er mit der geleasten S-Klasse an einem Container hängen und schiebt anschließend drei parkende PKW ineinander. Die Kaskoversicherung weigerte sich – zu Recht -, den Schaden in Höhe von 70.000,00 Euro am „eigenen“ Fahrzeug zu zahlen. Der Mann ist ruiniert.

Selbst wenn man sich also (ver)sicher(t) fühlt, sollte man immer bedenken, daß einem nur die einfache Fahrlässigkeit verziehen wird. Grober Leichtsinn ist nicht hingegen versicherbar.

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