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Schlagwort-Archive: § 153a StPO
Eine zähe Einstellung
Wenn’s läuft, dann läuft’s. Unter diesem Motto beschäftigt mich (oder genauer: meinen Mandanten) seit 2015 ein Verfahren in Dresden.
Im Hauptberuf ist mein Mandant Angestellter in einem Unternehmen, an das maximal erhöhte Sicherheitsanforderungen gestellt werden, und damit auch an dessen Beschäftigte. Eine Vorstrafe, auch eine kleine, hätte das Ende der Karriere zur Folge. Soweit die Ausgangslage.
Nun hatte mein umtriebiger Mandant eine Geschäftsidee, die er mit einer GmbH-Gründung umsetzte. Dabei war er allerdings weniger erfolgreich; erst kam die Krise, dann ein paar Fehlentscheidungen oben drauf und schon hatte die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft einen weiteren Fall.
Die Staatsanwältin sah in dem Fall eine Routineangelegenheit und bearbeitete die Akte nach „Schema F„. Auch das Gericht erkannte die Brisanz des Falles nicht. So ging das Strafbefehlsverfahren seinen trägen Gang.
Richtig Bewegung kam in die Geschichte erst, nachdem der Mandant mich mit der Verteidigung beauftragt hatte. Nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl kam es zu einer zähen Hauptverhandlung mit einer umfangreichen Beweisaufnahme, verteilt auf vier Termine … ohne dass ein zeitnahes Ende absehbar war.
Dann kam das Friedensangebot des Richters: Das Verfahren sollte eingestellt werden gegen Zahlung einer Auflage in fünfstelliger Höhe. Zähneknirschend haben die Staatsanwältin und der Mandant zugestimmt. Die Sache hätte damit einigermaßen friedlich beendet werden können.
Die Auflagenzahlung sollte an eine gemeinnützige Organisation gehen. Namen und Bankverbindung des Vereins teilte das Gericht der Verteidigung schriftlich mit. Der Mandant zahlte und schickte mir den Überweisungsbeleg, damit ich die *endgültige* Einstellung des Verfahrens beantragen konnte.
Bei der Überprüfung des Zahlungseingangs bei dem Verein stellte der Richter fest, dass er mir die falsche Bankverbindung mitgeteilt hatte. Deswegen bekam ich statt des beantragten Einstellungsbeschlusses folgende Anweisung:
Diesem Schreiben war die Mitteilung des Vereins beigefügt:
Und jetzt? Soll der Mandant nach Vorstellung des Richters loslaufen und versuchen, eine zwei Monate alte Überweisung wieder zurückzuholen, um den Betrag dann noch einmal, dann aber an die richtige Adresse überweisen? Oder soll ich das gegen teures Zeithonorar an seiner Stelle erledigen?
Ich habe dem Richter einen „Ick-gloob-et-hackt“-Brief geschrieben:
ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom **.**.2019, in dem Sie mitteilen, dass Sie in dem Beschluss vom **.**.2019 versehentlich eine falsche Bankverbindung des *.* e.V. angegeben haben.
Mein Mandant hat die Auflage nach Maßgabe Ihres Beschlusses fristgerecht erfüllt, indem er am **.**.2019 die Auflagenzahlung an eben diese Bankverbindung geleistet hat.
Die Überweisung wurde ausgeführt, einen Rücklauf hat es nicht gegeben. Die Rückforderung bzw. eine Stornierung einer solchen Überweisung ist grundsätzlich ausgeschlossen, zumal fast 2 Monate vergangen sind.
Es dürfte dem Gericht obliegen, die Folgen der falschen Angabe der Bankverbindung zu beseitigen
Der Mandant hat die Auflage vollständig und fristgerecht erfüllt, das Verfahren ist daher endgültig einzustellen, was ich nochmals beantrage.
Nun warten wir erst einmal auf die Reaktion des Gerichts. Wenn das Gericht meine Ansicht nicht teilen sollte, wird es wohl darauf hinauslaufen, dass erneut verhandelt werden müsste. Ob das erstrebenswert ist?
Aber vielleicht haben ja der Richter, die Staatsanwältin und/oder ein Blogleser noch eine andere Idee. 8-)
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Image by Klaus Dieter vom Wangenheim from Pixabay
Gefährliche Teileinstellung
Es ist nicht ungewöhnlich, dass umfangreiche Wirtschaftsstrafsachen nicht mit einem Urteil enden; ein Freispruch ist noch seltener. In vielen Fällen bietet sich die Einstellung nach § 153a StPO an, nämlich die Einstellung gegen Zahlung einer Auflage.
Entscheidend bei einem solchen Verfahrensende ist, dass sich alle Beteiligten einig sind. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung müssen der Einstellung und der Höhe der Auflagenzahlung zustimmen. Stellt sich einer der drei Gruppen quer, muss weiter verhandelt werden.
Heute ist in den Medien vom Ende des Prozesses gegen Dirk Jens Nonnenmacher und andere Ex-Vorstände der HSH Nordbank zu lesen. Bevor es noch einmal richtig losgehen sollte, haben sich die Beteiligten auf eine Einstellung gegen eine 7-stellige Auflagenzahlung geeinigt, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Es geht um die Zahlung von bummeligen 4,85 Millionen Euro
Vielleicht ist diese Höhe der Grund dafür, dass einer der sechs ursprünglich angeklagten Ex-Vorstandsmitglieder der Einstellung nicht zustimmte. Es können aber auch andere Gründe sein, die den Angeklagten zum Kampf um den Freispruch veranlasst haben.
Dieser Weg wird kein leichter sein. Es wird sogar schwieriger werden als beim ersten Durchgang. Denn wenn die Verfahren gegen die fünf anderen nach Erfüllen der Zahlungsauflagen endgültig eingestellt wurden, stehen sie dem Gericht grundsätzlich als Zeugen zur Verfügung, die aussagen müssen. Nur wenn man sehr gute Gründe findet, könnte doch noch einmal ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO vorliegen. Das ist aber wirklich nur in Ausnahmefällen durchsetzbar.
Das bedeutet nun für die weitere Beweisaufnahme der ab Mitte August geplanten neuen Hauptverhandlung, dass der letzte Angeklagte möglicherweise mit dem Insiderwissen der ehemaligen Mitangeklagten rechnen muss. Ich gehe aber davon aus, dass ihn seine Verteidiger darüber aufgeklärt haben.
Übrigens: Beim § 153a StPO gilt die (ungeschriebene) alles-oder-nichts-Regel. Verweigert der Angeklagte seine Zustimmung zur Verfahrenseinstellung, folgt ein Urteil. Ein nochmaliges Einstellungsangebot wird er regelmäßig nicht bekommen. Aber auch hier gibt es – wenngleich sehr seltene – Ausnahmen. Es ist ein gefährlicher Sprung in ein Verfahren mit einem ungewissen Ausgang.
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