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Schlagwort-Archive: AG Sinzig
Der 10. Termin in der Strafbefehlssache
Nach dem Dezernatswechsel beim Amtsgericht Sinzig geht es nun weiter. Neun Termine und neun korrespondierende Aufhebungen der Termine, das war die Vorgeschichte. Jetzt kommt die zehnte Runde.
10. Termin
Auch wenn das Gericht wieder darauf verzichtet hat, hier mal eben nachzufragen, ob eine Kollision mit einem anderen Termin besteht: Von meiner Seite aus paßt es.
Mal sehen, ob das auch bei den „anliegend aufgeführten Beweismitteln“ klappt und der neue Richter gesund bleibt bis dahin (was ich im wünsche, aber bei so einem Job, den er da hat, nicht sicher vorhersehen kann).
Hinweis:
Gern nehme ich Wetten entgegen, ob der Termin nun stattfindet oder ob er zum zehnten Mal aufgehoben wird.
To be continued …
Dezernatswechsel beim AG Sinzig
Die Richterin am Amtsgericht Sinzig hatte wohl Spaß, mal an einer richtig großen Strafsache zu sitzen. Vielleicht hat sie sich aber auch nur treiben lassen von einem Staatsanwalt mit vergleichbaren Ambitionen. Jedenfalls hat sie die Anklage zugelassen. Dem Angeklagten wurde ein (in Worten: 1) Fall des versuchten Betruges vorgeworfen.
Der diesem Vorwurf zugrunde liegende Sachverhalt war mir bestens bekannt.
Unter anderem aus zwei anderen Verfahren.
- In der einen Sache gibt es eine Anklage zum erweiterten Schöffengericht hier in Berlin. Angeklagt sind dort etwa 184 Fälle. Formuliert auf 17 Seiten.
- Bei der anderen Sache, die vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln verhandelt werden soll, waren es round about 355 Fälle. Die Anklageschrift umfaßt 28 Seiten.
Berlin und Köln sind aber noch nicht soweit, daß dort verhandelt werden kann.
Zunächst noch einmal der Hinweis:
Sowohl in Sinzig, als auch in Berlin wie ebenfalls in Köln geht es grundlegend um den selben (nicht: den gleichen!) Sachverhalt. Der Unterschied besteht ausschließlich in den verschiedenen (vermeintlich) Geschädigten.
Was macht der kluge Staatsanwalt in so einem Fall also?
- Richtig! Er stellt den einen Fall nach § 154 I StPO ein.
Was macht der Staatsanwalt in Sinzig?
- Richtig! Er beantragt und bekommt den Erlaß eines Strafbefehls
Meine Versuche (PLUUURAL!), dann wenigstens die Richterin davon zu überzeugen, daß es nicht sinnvoll ist, den Fall zu verhandeln, waren nicht erfolgreich. Sie wollte ebenfalls unbedingt da durch. Um vielleicht – gemeinsam mit dem Staatsanwalt – Rechtsgeschichte zu schreiben?
Ich habe für den Mandanten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, weil eine Verurteilung in Sinzig – wenn auch „nur“ im Strafbefehlsverfahren – quasi eine präjudizierende Wirkung auf die Verfahren in Köln und Berlin hätten.
Dem duo infernale schreckte es nicht, daß sich mit diesem Fall bereits
- eine Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht,
- ein Senat beim Oberlandesgericht und dann auch noch
- der Fischersenat beim Bundesgerichtshof
beschäftigt haben.
Also habe ich mich auf die Hauptverhandlung bei der Strafrichterin genauso vorbereitet, wie ein Strafverteidiger das macht, der eine streitige Verhandlung einer Anklage, die eine hochspezialisierte Staatsanwaltschaft geschrieben hat, vor einer mit qualifizierten und erfahrenen Richtern einer Wirtschaftsstrafkammer auf seinen Mandanten zukommen sieht.
Und das habe ich auch dem Amtsgericht mitgeteilt (böse Zungen sprechen: „angedroht“).
Um es für den Laien mal ein wenig greifbarer zu machen, worin die Unterschiede bestehen:
Für den Termin beim Strafrichter sieht das Rechtsanwaltsvergütungsgersetz 165,00 Euro vor. Bei der Strafkammer sind es 530 Euro.
Es ging also los.
Mit einer Orgie der Terminierung der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Sinzig.
1. Termin
Kein Schreibfehler: das war wirklich 2014! Da der Termin aber nicht mit mir abgestimmt und ich an dem 29.04.2014 verhindert war, habe ich sofort Terminsverlegung beantragt. Das Gericht reagierte auch recht flott und machte einen neuen Termin, ein paar Tage früher:
2. Termin
Weil ich an dem Tag aber anderweitig als Strafverteidiger unterwegs war (und die Richterin mal wieder nicht nachgefragt hatte), passierte dieses:
Aufhebung
Dann kam überraschend das:
3. Termin
Das wurde mir nun alles ein wenig viel. Wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage habe ich dann am 23.06.2014 einen Antrag auf meine Bestellung zum Pflichtverteidiger (§ 140 II StPO) gestellt. Erwartungsgemäß lehnte die Richterin diesen Antrag am 27.06.2014 ab – war ja alles ganz einfach.
Ich habe da eine andere Ansicht vertreten und mich in einer Beschwerde gegen die Ablehnung
- auf das AG Berlin,
- auf das LG Köln,
- auf das OLG Köln und
- auf den BGH bezogen,
mit denen ich die Probleme des Falls bereits ausgiebig erörtet hatte. Und ich habe am 29.06.2014 beantragt, den Temin am 1.7.2014 aufzuheben, damit das LG Koblenz über die Frage – schwierig oder nicht schwierig – beraten und entscheiden konnte, bevor es in Sinzig losgeht.
Die Richterin machte es richtig – der Termin mußte aufgehoben werden:
Aufhebung
Das Landgericht Koblenz entschied dann am 17.07.2014 in einem vierseitigen Beschluß:
OK, erstes Ziel erreicht. Aber da war ja noch was. Ach ja, die Terminierung der Hauptverhandlung.
4. Termin
Wenn man mich vorher mal gefragt hätte, wäre das Folgende nicht nötig gewesen:
5. Termin
Aber wenn’s einmal läuft, dann läuft’s. Nicht wahr? Na, wenigstens war ich es diesmal nicht, der keine Zeit hatte für dieses Umfangsverfahren.
6. Termin
Ok, der 25.08.2015 liegt in den Berliner Sommerferien. Und ich wollte an diesem Tag auf dem Sattel meines Fahrrads sitzen und von Sur-En zur Uina-Schlucht hochkurbeln. Man hätte mich ja mal fragen können. Also:
Ohne Murren und Knurren wird also einmal mehr umterminiert:
7. Termin
Nachdem nun mehrfach der Strafverteidiger verhindert war und einmal ein Zeuge nicht erscheinen konnte, war ja langsam mal ein anderer an der Reihe. Diesmal wohl das Gericht:
8. Termin
Netter Versuch. Allerdings, ohne den Termin mit mir abzustimmen.
Ehrlich, ich schwöre! Ich war wieder verhindert, nicht privat, sondern hatte als Strafverteidiger in Berlin einen Kokslieferanten zu verteidigen, was ich mit dem Vorsitzenden Monate vorher verabredet hatte. Es war nicht zu ändern! Warum greift man in Sinzig nicht einfach mal zum Telefon?! Aber jetzt:
9. Termin
Der 08.12.2015 war endlich abgestimmt. Er steht seit Anfang September in meinem Terminkalender. In knackigem Rot. Mit einer Erinnerung am 03.12.2015, damit ich auch nicht vergesse, mir rechtzeitig einen Stuhl bei der Lufthansa zu reservieren. Den Donnerstag Nachmittag hatte ich mir freigehalten, um für die Hauptverhandlung die Erklärungen und Beweisanträge vorzubereiten. Am Freitag trundelte dann mit der Sackpost das folgende Schreiben ein:
Aufhebung
Den Flug habe ich storniert – es bleiben Stornokosten von rund 200 Euro. Das Mietauto konnte ich kostenlos abbestellen.
Man glaubt’s wirklich nicht!
Zusammen mit den Terminsverlegungsanträgen habe ich immer mal wieder versucht, das Gericht und die Staatsanwaltschaft zur Einstellung dieses Verfahrens zu bewegen. Nix zu machen! Die Herrschaften bleiben stur. Das kann ich – gebürtiger Siegerländer – besser!
Aber vielleicht gibt der klügere Richter, der jetzt wohl das Dezernat „Versuchter Betrug in minderschweren Fällen“ übernommen hat, ja jetzt endlich nach. Denn sonst wird die Reihe fortgesetzt.
tl;dr
Und jetzt stelle ich die verbotene Frage dann doch noch:
Habt Ihr da unten in Sinzig eigentlich nichts Besseres zu tun?