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Unfallregulierung ist Privatsache

Nach seinem Urlaub fuhr ein Assistenzarzt am Abend mit dem Auto los, um am nächsten Morgen pünktlich seinen Dienst im Krankenhaus antreten zu können. Auf der A 5 kam es kurz vor Mitternacht zu einem Unfall, als der Arzt bei einem Spurwechsel einen Mitsubishi übersah.

Während das Auto vom Arzt äußerst rechts auf einem Ausfahrtstreifen zu einer Tankstelle zum stehen kam, ragte der Mitsubishi in den mittleren Fahrstreifen hinein. Beide Fahrer hatten ihre Fahrzeuge verlassen und beratschlagten, was zu tun sei. Der Mitsubishifahrer machte sich auf in Richtung Tankstelle, um die Polizei zu benachrichtigen, während der Arzt am Seitenstreifen neben dem Mitsubishi stehen blieb. Unmittelbar danach fuhr ein Transporter frontal gegen das Heck des Mitsubishi, der Arzt wurde von dem herumschleudernden Transporter erfasst und tödlich verletzt.

Die Familie des Arztes hatte nicht nur den Tod des Ehemannes und Vaters zu beklagen, die Berufsgenossenschaft verweigerte dazu noch sämtliche Hinterbliebenenleistungen. Denn es habe sich hier nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Mit dem Verlassen seines Pkw habe der Arzt nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Während das Sozialgericht Freiburg noch feststellte, dass der Tod des Arztes selbstverständlich Folge eines Arbeitsunfalls war, wies das Baden-Württembergische Landessozialgericht auf die von der Berufsgenossenschaft eingelegte Berufung die Klage der Familie ab.

Zwar sei der Arbeitsweg grundsätzlich mitversichert, allerdings nur, wenn sämtliches Handeln auf diesem Weg allein dem Zweck dient, entweder zur Arbeit oder von dort nach Hause zu gelangen. Als der Arzt aus dem Auto ausstieg, um sich mit dem Mitsubishifahrer abzusprechen, ob die Polizei gerufen bzw. wie der Unfall reguliert werden sollte, habe er seinen Arbeitsweg mehr als geringfügig unterbrochen.

Bei dem Aussteigen aus dem eigenen Pkw, dem Zurücklegen von ca. 40 m zum Wagen des A., dem Gespräch mit A. und dem Warten auf die Polizei handelt es sich nicht nur um eine geringfügige Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 4 SGB VII fortbestand. Eine Unterbrechung ist dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenbei“ erledigt werden kann (BSG, Urteil vom 17.2.2009, B 2 U 26/07, m.w.N.). Eine geringfügige Unterbrechung liegt jedenfalls beim Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. 40 m zum Unfallgegner, einem Gespräch mit dem Unfallgegner und dem Warten auf die – zum Zwecke der Unfallaufnahme gerufenen – Polizei nicht vor. Dies umso mehr, als hier – auch aufgrund des Schadensbildes am PKW des K. – in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Weiteres davon auszugehen war, dass dieser die Fahrt zum Arbeitsort alsbald hätte fortsetzen können, sei es mit dem eigenen PKW oder auf andere Weise.

(…) Dieses Verhalten ist – nach dem (…) Urteil des BSG vom 17.2.2009 – dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. So hat das BSG im Urteil vom 17.2.2009 – entgegen zahlreicher Literaturmeinungen – entschieden, dass übliche Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall, der Austausch von Personalien mit dem Unfallgegner und Unfallzeugen sowie Maßnahmen der Spurensicherung, grundsätzlich nicht im inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg stehen. Ein Unfallversicherungsschutz lasse sich auch nicht damit begründen, dass ein Versicherter den durch §§ 34 StVO und 142 StGB auferlegten Verhaltenspflichten nachkomme. Er lasse sich auch nicht damit begründen, dass der Versicherte einer Gefahr erlegen sei, der er wesentlich infolge des Zurücklegen des versicherten Weges ausgesetzt gewesen sei. Ein den Anforderungen der §§ 34 StVO und 142 StGB genügendes Verhalten diene nicht objektiv der Ermöglichung oder Förderung des allein versicherten (späteren) Zurücklegens des Weges. Diese Vorschriften schützten das private Interesse der Unfallbeteiligten und Geschädigten an einer möglichst umfassenden Aufklärung des Unfallhergangs und damit auch die Anspruchssicherung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass ein Versicherter die Verletzungen nicht ohne das Zurücklegen des versicherten Weges erlitten hätte. Seine Schädigung sei nicht auf die betrieblich veranlasste Fortbewegung, sondern sein eigenwirtschaftliches Handeln mit dem Ziel, den Unfallgegner aufzusuchen und mit diesem einen unfallregulierendes Gespräch zu führen, entstanden.

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.5.2013, L 9 U 2788/11 (im Anschluss an BSG, Urteil vom 17.02.2009 – B 2 U 26/07SozR 4-2700 § 8 Nr. 32)

Wie man als Anwalt ein solches Urteil den Hinterblieben erklärt? Ich habe keine Ahnung.

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Wer antiautoritär erzieht, darf nicht auf der Autobahn fahren

Ein Vater war mit seinem achtjährigen Sohn auf der Autobahn unterwegs. Bei der Abfahrt von der Autobahn stellte die Polizei bei einer Kontrolle fest, dass das Kind nicht angeschnallt war. Der Vater gab an, sein Sohn sei zuvor angeschnallt gewesen, aber da ihm sein Eis runtergefallen war, habe sich das Kind abgeschnallt, um das Eis wieder aufzuheben. Gerade in diesem Moment sei er in die Kontrolle geraten. Hierfür könne er nichts. Doch fand das Amtsgericht Köln, verurteilte den Vater zur Zahlung einer Geldbuße von 40 Euro und gab gleich noch ein paar wertvolle Erziehungstipps.

Zum Schutz der Gesundheit von Kindern sowie der allgemeinen Verkehrssicherheit ist die strikte Einhaltung der Sicherungsvorschriften von Kindern erforderlich. Das leichte Gewicht eines Kindes führt bei Nichtsicherung im Fall von Kollisionen, plötzlichem starken Abbremsen, Ausweichmanöver oder Kurvenfahrten zu erheblichen Umher- oder gar Herausschleudern mit schwerstwiegenden Folgen für das Kind. Ferner besteht die Gefahr, dass das Kind hierbei auch gegen den Fahrer geschleudert wird, wodurch dieser die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren kann mit entsprechenden gravierenden Unfallfolgen, in die auch noch weitere Verkehrsteilnehmer verwickelt werden könnten. Jeder Fahrer ist daher verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ein mitfahrendes Kind während der gesamten Fahrt ausreichend gesichert ist und auch bleibt.

Soweit, so richtig. Dann wird der Amtsrichter konkret.

Der Sohn des Betroffenen war zur Tatzeit fast 9 Jahre alt. Einem Kind in diesem Alter kann man in der Regel verständlich machen, welche Gefahren und welche Folgen eintreten können, wenn es sich während einer Fahrt abschnallt. Ebenfalls ist ein Kind in diesem Alter in der Regel in der Lage, das deshalb ausgesprochene Verbot, sich während der gesamten Fahrt abzuschnallen und die Ankündigung ernstzunehmender Konsequenzen bei Mißachtung dieses Verbot zu verstehen, zu akzeptieren und zu befolgen. Vorliegend geht das Gericht davon aus, dass der Betroffene diese Maßnahmen unterlassen oder nicht mit dem genügenden Nachdruck, ein Abschnallen während der Fahrt verboten hat, wie sein Vorbringen zeigt, wie Kinder nun einmal seien, schnallen sie sich ab, wenn das Eis herunterfällt, dafür könne er nichts.

Sollte das Kind des Betroffenen jedoch nicht in der Lage oder Willens gewesen sein, das genannte Verbot und die Erklärung hierfür zu verstehen und zu befolgen, dann hätte der Betroffene nicht eine Autobahn benutzen dürfen, auf der er nicht jederzeit anhalten konnte, um seinen Sohn wieder ausreichend zu sichern oder aber es hätte einer Begleitperson bedurft, die hierfür Sorge getragen hätte. Keinesfalls hätte der Betroffene aber seinem Sohn ein Eis oder einen sonstigen für das Kind interessanten Gegenstand geben dürfen, wenn er nicht mit Sicherheit ausschließen konnte, dass das Kind bei Herunterfallen dieser Dinge sich abschnallt, um sie wieder aufzuheben.

AG Köln, Urteil vom 14.03.2005, Az: 809 OWi 723/04

Wir fassen zusammen. Ist man mit einem Kind im Auto unterwegs, darf man dem kleinen Quengelgeist weder Eis, noch andere interessante Gegenstände, wie z.B. ein Buch geben. Es könnte ja etwas herab fallen. Dass sich dann langweilende Kind wird es danken, still im Kindersitz verharrend die aufregende Umgebung beobachten und das Ende der Fahrt abwarten. Vor der Fahrt ist das Kind entsprechend zu belehren. Für den Fall der Missachtung, sind „ernstzunehmende Konsequenzen“ anzudrohen. Welcher Art diese sein sollen, teilt das Amtsgericht leider nicht mit, Prügel scheidet in jedem Fall aus. Alternativ könnte man androhen, Geburtstags-, Weihnachts- und sonstige Geschenke bis zum 18. Geburtstag zu streichen.

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