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Krawalliger Trick 25 der 3. Strafkammer

Vor der Wirtschaftsstrafkammer einer Fontanestadt im Speckgürtel Berlins verteidigen acht Strafverteidiger aus Berlin. Die Anklage wirft den fünf Angeklagten und der Nebenbeteiligten Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) vor.

Aus Sicht zumindest eines Angeklagten erscheint es zweifelhaft, ob zwei der Richter noch unbefangen urteilen werden. Kundige werden mit dem Begriff der „Vorbefassung“ etwas anfangen können; die damit verbundenen Probleme werden in einem späteren Blogbetrag noch vertieft werden.

Hier geht es um einen richtigen Zeitpunkt, nämlich den des § 25 Abs. 1 StPO.

Auf den Prozessstart haben sich die Verteidiger vorbereitet. Es gibt ein paar Anträge, die unmittelbar nach Beginn des Verfahrens gestellt werden müssen, sonst sind sie zu spät und werden als unzulässig verworfen. Für Ablehnungsgesuche (aka Befangenheitsanträge) regelt das der § 25 StPO:

Die Ablehnung eines erkennenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist bis zum Beginn der Vernehmung des ersten Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse … zulässig.

Nach Aufruf der Sache startete die Vorstellungsrunde. Die Vorsitzende stellte die Anwesenheit der Angeklagten und ihrer Verteidiger fest, die Angeklagten gaben den …

Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit

… bekannt – das sind die Angaben, die sie gem. § 111 OWiG machen müssen.

Unmittelbar danach meldete einer der Verteidiger eine Besetzungsrüge an. Die Vorsitzende stellte diese Rüge zurück, erst solle die Anklage verlesen werden. Daraufhin habe ich das Ablehnungsgesuch angekündigt und die 25 Seiten dann auch verlesen (dürfen). Erst danach ging es erst einmal weiter mit der Anklageverlesung, die Besetzungsrüge und ein bisschen weiteres Gequengel, bevor am Nachmittag die Sitzung geschlossen wurde.

Am nächsten Sitzungtag verlas die Vorsitzende einen Gerichtsbschluss, mit dem die Kammer das Ablehnungsgesuch als unzulässig, weil verspätet verworfen hatte:

Die anwesenden Verteidiger, jeweils mit einer Erfahrung von mehreren Jahrzehnten, saßen da mit offenen Mündern, als sie diese Worte hörten. Die Kammer sieht in der Präsenzfeststellung bereits den „Beginn der Vernehmung der Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse„.

Einmal unjuristisch formuliert: Die Frage, ob und wer denn alles anwesend ist, soll bereits die Deadline für das Ablehnungsgesuch darstellen. Ok, das kann man so machen, aber dann isses halt … die Mindermeinung einer Strafkammer in einem ostdeutschen Bundesland.

Vielleicht ist das aber auch nur die Manifestation einer grundsätzlichen Aversion gegen Berliner Strafverteidiger.

Es wäre sicherlich nicht nötig gewesen, der Verteidigung gleich am ersten Prozesstag so massive Gründe für eine spätere Revision zu liefern. Es hätte vollkommen ausgereicht, das Ablehnungsgesuch als unbegründet zu verwerfen. Ich habe den Eindruck, die Vorsitzenden ist aus auf Krawall.

To be continued …

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