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Schlagwort-Archive: Haftung
Dürfen die das?
Nach einem Verkehrsunfall, den natürlich immer der andere Beteiligte verschuldet hat, herrscht spätestens dann Empörung, wenn die eigene Kfz-Haftpflicht – ob nun ganz oder teilweise – den Schaden des Unfallgegners reguliert und man anschließend in der Schadenfreiheitsklasse hochgestuft wird. Die Frage lautet dann immer, darf die Versicherung das so einfach? Ja, sie darf.
Nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), dort § 10 Abs. 5 liegt die sogenannte „Regulierungsbefugnis“ allein bei der Versicherung. Diese darf gegen den Willen ihres Versicherten und muss, wenn die Haftung begründet ist, den vom Versicherungsnehmer angerichteten Schaden bezahlen. Dabei hat die versicherung ein sehr weites Ermessen. Dass darunter die Prozente leiden, hat der Versicherte hinzunehmen.
Kommt es zu einem Rechtsstreit, darf die Versicherung entscheiden, ob sie doch lieber zahlt oder es darauf ankommen lässt und sogar den Anwalt bestimmen, der dann auch den Versicherungsnehmer und andere mitverklagte Personen vertritt. Der verklagte Versicherungsnehmer kann zwar grundsätzlich selbst einen eigenen weiteren Anwalt beauftragen, läuft dann aber Gefahr, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Die eigene Rechtsschutz übernimmt diese nicht und selbst für den Fall, dass man den Streit gewinnt, sind die Kosten vom Gegner regelmäßig nicht zu tragen.
Auch wenn ich über manche Regulierungsentscheidung der Versicherer unserer Mandanten den Kopf schütteln mag, verbieten kann ich die Regulierung nicht.
Das musste sich auch eine Klägerin in einem in Coburg durch zwei Instanzen geführten Rechtsstreit sagen lassen, die ihrer Versicherung vorwarf, trotz eines von ihrem Rechtsanwalt ausgesprochenen „Regulierungsverbots“ den Schaden der Gegenseite komplett bezahlt und dadurch die „Versicherungs-Prozente“ nach oben getrieben zu haben. Die Klägerin war auf ein bremsendes Taxi aufgefahren, sah sich nicht in der Verantwortung und beauftragte einen Anwalt. Die Versicherung, wenig beeindruckt vom anwaltlichen „Verbot“, zahlte den Schaden am Taxi.
Das Amtsgericht Coburg wies die Klage der Versicherten auf Rückstufung in ihre alte Schadenfreiheitsklasse ab. Eine Versicherung habe einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, ob Schadensersatzansprüche begründet seien oder nicht. Die Regulierung hier sei keinesfalls unsachgemäß oder willkürlich gewesen. Daran ändere auch ein „Regulierungsverbot“ nichts (nachzulesen beim AG Coburg, Urteil vom 26. Februar 2009, Az: 15 C 1469/08; LG Coburg, Hinweisbeschluss vom 25. Mai 2009, Az: 32 S 15/09).
Nach einem Verkehrsunfall darf der Anwalt ran
Auch wenn nach einem Unfall klar ist, dass der Gegner komplett haftet und Schwierigkeiten bei der Regulierung eigentlich nicht zu erwarten sind, muss man sich nicht selbst mit der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung herumplagen.
Das in Berlin für Unfallstreitigkeiten zuständige Amtsgericht Mitte meint daher zu Recht, dass so eine Regulierung eines Unfallschaden keinesfalls eine „einfache Sache“ ist. Oder wissen Sie auf Anhieb, dass Sie sich einen Kfz-Sachverständigen aussuchen können und nicht den von der Versicherung vorgeschlagenen nehmen müssen, wann ein Totalschaden wirklich ein Totalschaden und was ein merkantiler Minderwert ist oder ob und in welcher Höhe Sie Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung haben?
„In Anbetracht der Vielzahl zu beachtender Rechtsfragen scheint auch bei einem Verkehrsunfall, wo die Haftungsfrage eindeutig ist, inzwischen ein einfach gelagerter Schadensfall kaum noch denkbar, da die Geltendmachung des Schadens als solche mit einer Vielzahl von Rechtsfragen verknüpft ist und damit keineswegs einfach ist. Dies gilt insbesondere, als die Versicherer auf dem Gebiet der Schadensabrechnung spezialisierte Mitarbeiter beschäftigen, so dass ein Geschädigter ohne rechtsanwaltliche Inanspruchnahme nicht einschätzen kann, ob er seinen Schaden zutreffend berechnet und geltend gemacht hat.“ (AG Mitte, Urteil vom 17.02.2009, Az: 3 C 3385/08)
Nach einem Verkehrsunfall darf und sollte man anwaltliche Hilfe gleich in Anspruch nehmen und nicht erst selbst „herum regulieren“, die Kosten hierfür hat im Rahmen der Haftung die Versicherung des Unfallgegners zu tragen.