Schlagwort-Archive: Insolvenzstrafrecht

Schönen Dank auch, Staatsanwältin!

Gegen den Mandanten werden mehrere Ermittlungsverfahren geführt, und zwar von zwei Staatsanwaltschaften: Eine aus dem Westen der Republik und eine aus Moabit. Alle Verfahren haben einen ähnlichen Vorwurf: § 15a InsO, § 283 StGB.

Bei der West-StA sind es relative Kleinigkeiten, bei zwei (inaktiven) Gesellschaften sollen die Bücher nicht sauber geführt worden sein und irgendwas ist bei einem Jahresabschluß nicht ganz de lege artis gelaufen.

Hier in Berlin warf man dem Mandanten ein anderes Kaliber vor, zwar auch nichts, was einem den Kopf kosten kann, aber immerhin reichte es zur Füllung eines Hauptbandes und vierer Beiakten.

Die zuständige Berliner Staatsanwältin – immerhin Dezernentin in einer Wirtschaftsabteilung – hatte irgendwie keinen Bock auf Arbeit. Sie schickt daher die Akten nach Westdeutschland …

Ok, kann man ja mal versuchen, auf diesem Weg die Arbeit vom eigenen Tisch auf den des weit entfernt sitzenden Kollegen zu schaffen. Ist auch verständlich. Nur: Dann sollte man es auch richtig machen.

Auch aus Sicht der Verteidigung besteht der behauptete Sachzusammenhang nicht, bzw. nur über den ähnlich klingenden Namen der beteiligten Gesellschaften; ansonsten waren die Unternehmenssitze einmal in Berlin und in den anderen Fällen eben in Westdeutschland.

Das stand in ziemlich deutlichen Worten in der

Drei oder vier Absätze weiter unten dann noch dieser Hinweis an die Moabiter Strafverfolgerin:

Ok, kann man ja schonmal vergessen, dass es in einer Wirtschaftsstrafsache ein paar Beiakten gibt. (Spoiler: Das ist völlig ironisch gemeint.)

Also gut, dann nehme ich mir die Akten zusammen mit dem Laptop mit auf die Couch und schlage mich ein paar Stunden mit den chaotischen Akteninhalten rum und entwickele den Entwurf eines Verteidigungsschrift, die ich dem Mandanten zur Prüfung übermittelt habe.

Parallel dazu habe ich mich bei der Staatsanwaltschaft in Westdeutschland nach dem Sachstand erkundigt und erhalte die Nachricht von dort:

Das heißt also: Nach der gescheiterten Loswerdung der Akte stellt die Berliner Staatsanwältin das größere Verfahren in Hinblick auf das kleinere Verfahren ein. Damit hat sie ja auch ihr Ziel erreicht: Die Akte hat ihren #Resopal-Schreibtisch (Achtung: Insider) verlassen.

Und gemäß dem Motto „Was kümmern mich die anderen!“ unterläßt die arbeitsmüde Unkollegin die Mitteilung an die Verteidigung, dass sie das Verfahren eingestellt hat. Ich arbeite also mehrere Stunden für die Tonne, weil die Dame es nicht für nötig hält (oder damit überfordert ist), ihren Job zu machen.

Auch wenn ich mir wenig Erfolgschancen verspreche: Auf die Arbeit, die ich jetzt mit der Geltendmachung eines vierstelligen Schadensersatzanspruchs meines Mandanten gegen die Justiz habe, kommt es mir nicht an. Ich bin gespannt auf die Ausreden der Dilletante.

, 3 Kommentare

Keine Selbstbedienung bei der Pflichtverteidigung

Die Staatsanwaltschaft hatte den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Es ging um die Klassiker aus dem Insolvenzstrafrecht: Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO), Bankrott (§ 283 StGB) und Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB).

Eigentlich keine große Sache, wenngleich der Umfang der Ermittlungsakten kein geringer war. Am Ende sollte eine Geldstrafe mit 180 Tagessätzen dabei herauskommen, stellten sich die Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vor.

Das besondere Problem hier:
Der Beschuldigte bringt aus einer anderen Sache eine offene Bewährung mit. Es droht also dort der Widerruf der Strafaussetzung der Bewährung. Das allein reichte in diesem Fall schon, um einen Fall der notwendigen Verteidigung anzunehmen. Ich vertrete zudem die Ansicht, dass Insolvenzstrafsachen per se Fälle sind, in denen dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden muss; aber das ist hier nicht das Thema.

Die Staatsanwältin fügte ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls also einen weiteren Antrag bei:

Der Richter schrieb daraufhin dem Beschuldigten und gab ihm Gelegenheit, zu diesem Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen:

So muss das! Der Beschuldigte reagierte auch binnen der 2-Wochen-Frist:

Keine Woche später erging der folgende …

Nota bene:
Dem Beschuldigten gewährt man das rechtliche Gehör und die Möglichkeit, einen (Wunsch-)Verteidiger seines Vertrauens zu benennen. Dem Verteidiger stülpt das Gericht dann die Pflichtverteidigung eines ihm bis dato unbekannten Beschuldigten ungefragt über.

Ob ich überhaupt Lust auf die Verteidigung habe, oder Zeit, freie Kapazitäten oder sonstwas … scheint die Justiz nicht zu interessieren.

Ist das nur Gedankenlosigkeit? Oder die Vermutung, ich werde mich schon freuen, endlich mal wieder ein Mandat zu bekommen? Oder schlicht die Arroganz eines Richters, dem das Recht der Pflichtverteidigerbestellung zusteht?

Selbstverständlich übernehme ich auch in Wirtschaftsstrafsachen Fälle der notwendigen Verteidigung. Aber ich erwarte – zumindest vom Gericht, aber auch von dem Mandanten, dass ich vorher gefragt werde. Meine Kanzlei ist kein Selbstbedienungsladen, in dem sich Beschuldigte und Richter eine Verteidigung einfach aus dem Regal nehmen können.

, 15 Kommentare