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Bundesanwaltschaft: No risk – no fun?

Das Verfahren gegen Beate Zschäpe berge Risiken für die Anklage, denn die Beweislage sei schwierig, berichten Barbara Hans, Birger Menke und Benjamin Schulz auf SPON.

Die Bundesanwaltschaft hat am 8. November 2012 – symbolträchtig (oder als show-Einlage) exakt ein Jahr, nachdem Frau Zschaebe sich den Strafverfolgern gestellt hatte – Anklage erhoben und die Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Oberlandesgericht (OLG) München beantragt.

Auf nahezu 500 Seite wirft die Bundesanwaltschaft der Angeschuldigten Zschaepe vor,

sich als Gründungsmitglied des „NSU“ mittäterschaftlich an der Ermordung von acht Mitbürgern türkischer und einem Mitbürger griechischer Herkunft, dem Mordanschlag auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn sowie an den versuchten Morden durch die Sprengstoffanschläge des „NSU“ in der Kölner Altstadt und in Köln-Mülheim beteiligt zu haben. Darüber hinaus ist sie hinreichend verdächtig, als Mittäterin für 15 bewaffnete Raubüberfälle verantwortlich zu sein. Ferner wird ihr in der Anklageschrift zur Last gelegt, die Unterkunft der terroristischen Vereinigung in Zwickau in Brand gesetzt und sich dadurch wegen eines weiteren versuchten Mordes an einer Nachbarin und zwei Handwerkern und wegen besonders schwerer Brandstiftung strafbar gemacht zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, §§ 211, 224 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5, §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b, §§ 251, 253, 255, 306a Abs. 1 Nr. 1, 3, § 306b Abs. 2 Nr. 2, §§ 306c, 308 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB)

Was ist an diesen (abstrakten) Anklagesätzen riskant? Worin besteht für die Anklageverfasser das Risiko?

Es ist nicht so, daß dem Generalbundesanwalt die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt und vom Gehalt abgezogen werden, wenn die Anklagevorwürfe im Laufe des Verfahrens sich ganz oder teilweise nicht bestätigen.

Vielmehr liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei dieser Anklageschrift um eine so genannte Vorratsanklage handelt: Alles, was nicht völlig fern liegt, wird erst einmal hineingepackt, um dann zu sehen, was am Ende hinten rauskommt. Diese „Technik“ ist erfahrenen Strafverteidigern (und Richtern) nicht unbekannt.

Was soll denn passieren, wenn sich der eine oder andere Vorwurf nicht bestätigen sollte? Das Strafprozeßrecht bietet eine Menge Möglichkeiten, die angesammelten Vorwürfen Schicht für Schicht beiseite zu legen: Irgendwas zwischen Abtrennung und Einstellung durch Beschluß oder Teil-Urteil einerseits und Teil-Freispruch andererseits wird dabei herauskommen.

An der Rechtsfolge für Frau Zschaepe wird das kaum etwas ändern: Länger als LL (lebenslang) geht nicht. Ein Freispruch oder auch nur eine zeitige Freiheitsstrafe liegt wohl – aus Sicht der Medien und der Anklagebehörde – eher nicht im Bereich des „Risikos“. Und die Kostenfrage dürfte für die Angeklagte auch kein Problem darstellen, über das sie sich den Kopf machen müßte.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß sich zumindest ein paar (wenige) Journalisten künftig um eine saubere und fundierte Berichterstattung in diesem Mammutverfahren bemühen werden. Der hier zitierte Artikel hätte insoweit noch reichlich Platz für eine Optimierung gehabt.

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