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Eine Harley ist keine „Spaßmaschine“

Nutzungsausfallentschädigung für ein verunfalltes Motorrad durchzusetzen, ist eine Wissenschaft für sich. Erst einmal muss man theoretisch überhaupt in der Lage sein, Motorrad zu fahren, was Fälle, in denen der Biker mit einem Haufen Metall und Schauben erst einmal wieder zusammengesetzt werden musste, schon einmal ausschließt.

Wenn man fahren könnte, die Maschine aber kaputt in der Gegend oder schlimmer noch, auf dem Schrottplatz herum steht, kommt es darauf an, ob es sich bei dem Motorrad „um einen Gegenstand handelt, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, wobei dieser Begriff eng auszulegen ist“. Sagt der BGH. Um es kurz auszudrücken, einen Pkw benutzt man täglich um von A nach B zu kommen, ein Motorrad nur zum Spaß.

In einer Entscheidung des Berliner Kammergerichts bezweifelten die Richter nicht, dass der Genuss der Freiheit, wie ihn die Benutzung eines Motorrades (es ging um eine Ducati) vermitteln mag, durch die Benutzung eines Pkw nicht ersetzt werden könne. Das Kammergericht wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass entgangener Fahrspaß grundsätzlich nicht erstattungsfähig sei. Der Kläger in dem Verfahren konnte ein vorhandenes Auto für Fahrten nutzen, dass er darüber hinaus auch auf sein Motorrad angewiesen war, konnte er nicht beweisen (KG, Beschl. v. 26.11.2003, Az: 12 U 181/03).

Eine der wenigen Entscheidungen, die hier pro Motorradfahrer ergangen sind, ist die des Oberlandesgericht Düsseldorf, das einem Harleyfahrer Nutzungsausfall trotz eines weiter vorhandenen Pkw zusprach. Da hier der Fahrspaß als „Schaden“ angesehen wird, steht die Entscheidung des Gerichts nicht im Einklang mit der spaßbefreiten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und stellt (leider) eine Ausnahme dar, ist aber wunderschön begründet.

Die Harley Davidson Electra-Glide FLHTI des Klägers befand sich wegen eines fehlenden Ersatzteils 78 Tage zur Reparatur in einer Fachwerkstatt. Für diesen Zeitraum verlangte der Kläger Nutzungsausfallentschädigung in Gesamthöhe vom rund 5.200 Euro. Das Motorrad war für das ganze Jahr angemeldet und nicht nur für reine Freizeitfahrten, sondern – je nach Witterungslage – auch für die Fahrt zur Arbeit genutzt. Die gegnerische Haftpflichtversicherung verweigerte die Zahlung mit dem Argument, dass dem Kläger für den Reparaturzeitraum ein Pkw zur Verfügung stand. Seine Ehefrau verfügte ebenfalls über einen privaten Pkw und ein weiteres Motorrad.

Das Landgericht Duisburg wies die Klage ab. Damit wollte sich der Kläger nicht zufrieden geben und legte Berufung zum OLG Düsseldorf ein, wo er auf offensichtlich motorradbegeisterte Richter traf:

Der hier zu beurteilende Gebrauchsvorteil der klägerischen Harley Davidson wird nun durch die Nutzung eines PKW nicht ersetzt. Die jeweiligen Nutzungswerte entsprechen sich nicht. Die beschädigte Harley Davidson Electra Glide ist ein Motorrad der Luxusklasse. Die Benutzung dieses besonderen Fahrzeugs befriedigt einerseits das Interesse des Klägers an Mobilität, bietet aber andererseits durch das im Vergleich zu einem PKW völlig anders geartete Fahrgefühl und die andersartige Art der Fortbewegung auch den spezifischen Gebrauchsvorteil, ein besonders hochwertiges, luxuriöses Motorrad zu fahren. Gerade diese besondere Art des Gebrauchs hat sich der Kläger erkauft. Dieser spezifische Gebrauchsvorteil ist daher als Äquivalent seiner vermögenswerten Aufwendungen für den Erhalt dieses Fahrzeugs unfallbedingt entfallen. Demgegenüber konnte er durch die Nutzung seines PKW nur einen Teil der Gebrauchsvorteile des Motorrads ausgleichen, nämlich nur die reine Funktion seines Fahrzeugs als Transportmittel. Der darüber hinausgehende Nutzungswert des beschädigten Motorrads ist daher “fühlbar” entgangen, so dass ein Ausschluss seines Nutzungsausfallentschädigungsanspruchs nicht gerechtfertigt ist. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2008, Az: I-1 U 198/07)

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