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Neue Antworten auf die „Party-Frage“

Über die „Partyfrage“ habe ich schon öfters gesprochen und geschrieben.

Strafverteidigern, die es nicht vermeiden konnten, daß ihr Beruf bekannt geworden ist, wird sie nach den ersten zwei Glas Prosecco (oder Pils) so oder so ähnlich immer wieder gestellt:

Wie kannst Du so einen bloß verteidigen? Kannst Du das eigentlich mit Deinem Gewissen vereinbaren?

Ein Artikel des Spiegel vom 11.07.2018 zitiert die Antworten dreier Verteidiger, die in den letzten Jahren immer wieder im Focus der Öffentlichkeit standen:

Wer an ausführlicheren Anworten und an den Hintergründen der Arbeit der drei Verteidiger in dem NSU-Verfahren interessiert ist, dem seien anderhalb Stunden Fernsehgucken empfohlen: Die am 11.07.2018 in der ARD ausgestrahlte Dokumentation von Eva Müller.

Heer, Stahl, Sturm. Wer Nazis verteidigt.

Zu finden in der Mediathek.

Eine sehr gelungene Reportage über drei erstklassige Verteidiger.

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Bild: © Anna Zerenyi / pixelio.de

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Gastbeitrag: Hauptamtliche Komplizenschaft

Immer wieder werden Strafverteidiger gefragt: Wie kannst Du „so einen“ eigentlich verteidigen? Diese (Party-)Frage wird oft mit grauseligen Taten illustriert, für die es – nach Ansicht des Fragenden – eigentlich nur eine Lösung geben könnte:

„Einsperren und Schlüssel wegwerfen“, wie es der ehemalige (in den 1980er Jahren) Verteidiger von Horst Mahler einmal vorgeschlagen haben soll.

Altkanzler Schröder hatte bei diesem seinem Vorschlag seinerzeit Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern im (leeren?) Hinterkopf. So ähnliche Gedanken werden (heute) aber auch bei politisch motivierten Straftaten geäußert.

Im Juli 2012 hatte ich in diesem Zusammenhang über ein Rückhaltloses Charakterschwein berichtet, auf die eine Gegenrede der GAF erfolgte.

Der Kollege Roland Hermann aus Wien stellt mir dankenswerter Weise aus seinem aktuellen, stets lesenswerten Newsletter das bemerkenswerte „Editorial: Hauptamtliche Komplizenschaft“ zur Veröffentlichung zur Verfügung.

In einer der vielen UVS-Verhandlungen nach der Traiskirchen-Razzia hat sich einer der beteiligt gewesenen Beamten über die Art und Weise unserer Befragung so geärgert, daß er sich zur Aussage hinreißen ließ, wir – also die Vertretung der beschwerdeführenden Opfer dieser Razzia – seien „doch ohnehin hauptamtliche Komplizen der Dealer“.

Das wurde protokolliert und einige Wochen später hat er – wohl zähneknirschend – eine schriftliche Ehrenerklärung beim UVS eingereicht, um wohlfeile zweieinhalbtausend Euro an tarifmäßigen Kosten unseres Vertreters; seinen eigenen hat wahrscheinlich die Gewerkschaft bezahlt, vielleicht den unsrigen auch, wer weiß ….

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „juridikum“ findet sich, verpackt in einen unscheinbaren Bericht über den Leipziger Kongreß des Bundesarbeitskreises kritischer Juragruppen vom Vorjahr, folgende Episode:

Eine dem Freiburger Arbeitskreis nahestehende Anwältin hatte ihren Kanzleikollegen bei der Verteidigung eines bekannten Rechtsextremen unterstützt; selbiger hatte Linksaktivisten, die sich auf ihn zubewegten, mit dem Auto niedergefahren, die Verteidigung hatte erfolgreich auf Notwehr plädiert.

Entrüstung in der linkskritischen Ethikküche: Rechtsextreme dürfe man höchstens verteidigen, wenn Mangel an Verteidigern herrsche, aber dies freiwillig und ohne Not zu tun, laufe auf die Verteidigung einer rechtsextremen Handlung hinaus, sei eine Verbündung mit dem Gegner.

Ergebnis: Der Freiburger Arbeitskreis wurde wegen seiner Weigerung, die Zusammenarbeit mit dieser Anwältin aufzukündigen, aus dem Bundesarbeitskreis ausgeschlossen.

Na holla, da hat aber jemand die Funktion des Anwalts im Rechtsstaat ziemlich gründlich mißverstanden. Ich sag’s gleich: Die Verteidigerin, um die es da ging, war es nicht. Die hat nämlich genau das getan was dem Selbstverständnis des anwaltlichen Berufsstandes entspricht: Die Interessen ihres Klienten bestmöglich vertreten.

Seine Komplizin ist sie deshalb aber noch lange nicht geworden. Sie hat lediglich den Gegenpol zur staatlichen Anklage eingenommen, was einen Kräfteausgleich zwischen den einander in jedem Prozeß naturgemäß widerstreitenden Interessen und damit ein faires Verfahren überhaupt erst ermöglicht.

Daß ein jeder Anspruch auf ein faires Verfahren hat, egal was ihm angelastet wird, sollte eigentlich unbestritten sein. Die Alternative wäre ja hinlänglich bekannt: Man würde sich qua Vorverurteilung unweigerlich auf das Niveau der Tat begeben, deren (durch Erweislichkeit bedingte) Verwerflichkeit ja gerade den Anlaß zum Verfahren gibt.

Siehe dazu trefflich den großartigen Spencer Tracy ab 5.30: (der Oscar ging übrigens trotzdem an die Verteidigung).

Der Preis des fairen Verfahrens ist, daß das gesprochene Recht dem gebrochenen nicht immer gerecht wird. Auch im Rechtsleben gewinnt der Stärkere. Derjenige, der eben die besseren Argumente parat hat oder manchmal auch nur den besseren Vertreter. Alles andere wäre aber schon von vornherein bloße Makulatur, hätte mit einem rechtsstaatlichen Verfahren kaum mehr viel zu tun.

Sich als Vertreter die Klientel aussuchen zu können, je nachdem ob man sich mit deren Rechtsstandpunkt identifizieren kann oder nicht, ist ein seltener Luxus. Gerade Strafverteidiger wäre dann eine einigermaßen brotlose Angelegenheit, da ginge sich maximal hie und da mal ein kleiner Gauner aus, weil wer ist das selber nicht eh auch oder wärs zumindest gern ?

Aber sonst – Kinderschänder, Mörder, Rechtsextreme … alle ab in die Verfahrenshilfe, ins Glücksradl ?!

Oder überhaupt nur Unschuldige verteidigen ?

Aber selbst wenn einen der Klient vorab von seiner Unschuld überzeugen kann – was tun wenn sich die Sache im Zuge der Hauptverhandlung dann doch ganz anders darstellt und plötzlich muß man einen Schuldigen weiter verteidigen ?

Bei notwendiger Verteidigung einfach mitten in der Verhandlung das Mandat niederzulegen ist disziplinär, sagte die OBDK schon einmal (aus Anlaß der „Operation Spring“ – der Disziplinarbeschuldigte hatte damals aber weniger seinen Klienten satt als vielmehr die Umstände des Verfahrens).

Also gar net erst an sowas anstreifen, von vornherein nur ideologisch einwandfreie „gerechte“ Sachen übernehmen ? Aber wer legt die fest? Eine „kritische Juragruppe“ vielleicht ?

So was – also so ein institutionelles Gutmenschtum – gibt es nur in Freiburg oder Wien? Nein, das haben wir hier in Berlin auch. Und zwar an besonders empfindlicher Stelle, wie ich meine:

Bei den letzten Wahlen zum Vorstand der traditionell „linken“ (??) Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. wurde der bisherige Vorstandvorsitzende, Rechtsanwalt Peter Zuriel, durch zwei in Ehren ergrauter Strafverteidiger(!), von denen sich einer als „Menschenrechtsanwalt“ bezeichnen läßt und der andere auch presserechtlich sowie als „Opferanwalt“ unterwegs ist, heftig dafür kritisiert, daß er einen Polizeibeamten verteidigt, dem man vorwirft, einen Demonstranten verprügelt zu haben (siehe taz vom 14.07.2010).

Rechtsanwältin Anja Sturm wurde bei ihrer Bewerbung um die Wahl in den Vorstand der Berliner Strafverteidiger u.a. von eben diesen beiden Strafverteidigern aufgefordert, sich dafür zur rechtfertigen (sic!), daß sie in dem NSU-Verfahren vor dem OLG München die Hauptangeklagte, Beate Zschäpe, verteidigt.

Wir leben in einer sonderbaren Welt.

(Anm.: Die Verlinkungen, auch innerhalb des Gastbeitrags, stammen von mir. crh)

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„Das Unerhörte zu Gehör zu bringen“

Gerade an den aussichtslosen Fällen zeigt sich, wie viel Rechtsstaat wir uns leisten – und vor allem, wie viele Fragen an sich selbst dieser Rechtsstaat zulässt. Wer sonst sollte sie stellen, wenn nicht der Verteidiger?

Ernst genommene Strafverteidigung dient also nicht nur den Interessen des Angeklagten, sondern auch dem Rechtsstaat selbst. Sie will dafür nicht bewundert, aber in jedem Fall respektiert werden. Auch wenn es manchmal schwerfällt.

Der Münchener Strafverteidiger Werner Leitner nimmt den Fall vom S-Bahnhof München-Solln, bei dem ein „hilfsbereiter Mensch zu Tode gebracht“ wurde, zum Anlaß, in einem sehr lesenswerten Kommentar in der Süddeutschen über das Selbstverständnis der Strafverteidigung nachzudenken.

Ein Standard-Thema, mit dem jeder Strafverteidiger sich immer wieder auseinandersetzen muß. Bei seiner täglichen Arbeit. Und abends auf der Party, wenn es ihm nicht gelungen ist, seinen Beruf zu verheimlichen.

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