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Gebraucht geht auch

Der Audi A 4 des späteren Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall erheblich beschädigt. Ein Sachverständiger stellte einen wirtschaftlichen Totalschaden fest, da die kalkulierten Reparaturkosten von knapp 4.000,00 Euro über dem Wiederbeschaffungswert von 3.300,00 Euro lagen und eine Reparatur danach unwirtschaftlich ist.

Der Kläger ließ seinen Audi trotzdem reparieren. Das darf man nach der Rechtsprechung des BHG bis zur sogenannten 130% Grenze. Die Kosten der Instandsetzung müssen ersetzt werden, wenn sie die Wiederbeschaffungskosten um nicht mehr als 30% überschreiten. Hier beliefen sich die Instandsetzungskosten auf 4.200,00 Euro, lagen damit noch im Rahmen, so dass der Kläger diese anschließend ersetzt verlangte. Die Versicherung des Unfallgegners regulierte aber auf Totalschadensbasis und lehnte weitere Zahlungen ab.

Das Stuttgarter Amtsgericht wies die Klage ab, da es die Kalkulation des Sachverständigen für falsch hielt. Der hatte die Instandsetzungskosten nämlich mit Gebrauchtteilen berechnet. Sowohl die Kalkulation von Reparaturkosten als auch die Reparatur selbst habe aber auf Basis von Neuteilen zu erfolgen. Die Reparaturkosten würden dann aber 60 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen, so dass dem Kläger kein weiterer Schadenersatz bis zur 130% Grenze zustehe.

Das Landgericht Stuttgart interessierte sich eher dafür, ob die durchgeführte Reparatur des Audis auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen sach- und fachgerecht erfolgte und sprach dem Kläger restlichen Schadenersatz zu.

Zwar spreche Einiges dafür, dass zur Vermeidung von Manipulationen eine Kalkulation auf der Basis von Neuteilen zu erfolgen habe. Hiervon zu trennen sei aber die Frage, ob die konkret durchgeführte Reparatur ebenfalls nur unter Verwendung von Neuteilen erfolgen darf. Entscheidend seien hier die tatsächlichen Instandsetzungskosten von 4.200,00 Euro im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert von 3.300,00 Euro, die noch innerhalb der 130% Grenze lagen.

Für die Bestimmung der 130 % Grenze hielt das Landgericht nämlich nicht die Schätzung des Gutachters maßgeblich, sondern den tatsächlich für die Reparatur aufgewendeten Betrag. Da es sich um gebrauchtes Fahrzeug handelt, durften bei der Wiederherstellung des Audi auch Gebrauchtteilen verwendet werden. Wesentlich sei nur ein fachgerechtes Reparaturergebnis und das war hier erreicht.

LG Stuttgart, Urteil vom 18.07.2012, Az: 5 S 230/11

Die Frage, ob Reparaturkosten, die zwar den Wiederbeschaffungswert übersteigen, aber nicht die 130%-Grenze, weil eine Reparatur nicht wie vom Gutachten kalkuliert mit Neuteilen, sondern unter Verwendung von Gebrauchtteilen erfolgt ist, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Das Landgericht Stuttgart hat daher die Revision zum BGH zugelassen.

Das Landgericht Koblenz z.B. entschied mit Urteil vom 04.07.2007, Az: 12 S 65/07, dass eine Reparatur mit Gebrauchtteilen, auch wenn diese sicherheitstechnisch nicht zu beanstanden sind, bei der Kostenkalkulation im Rahmen der 130 % Grenze nicht vorgesehen sei. Grundlage müsse ein Sachverständigengutachten sein, welches sich an den Gepflogenheiten einer Fachwerkstatt zu orientieren habe, wo üblicherweise Neuteile verbaut werden.

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Seinem Gutachter darf man blind vertrauen, selbst wenn der nicht rechnen kann

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall berechnete der vom Geschädigten beauftragte Gutachter den Fahrzeugschaden und kam zu dem Ergebnis, dass die Reparaturkosten knapp zweitausend Euro unter dem Wiederbeschaffungswert lagen. Ein Reparaturfall also. Alles klar, dachte der Geschädigte und gab seiner Werkstatt den Auftrag loszulegen.

Nachdem das Fahrzeug zerlegt war, fiel in der Werkstatt auf, dass der Schaden wohl doch größer war, als zunächst veranschlagt. Der Gutachter musste nochmal kommen. Vielleicht hatte er seine Brille nicht auf oder der Bleistift zum rechnen war nicht angespitzt. Trotz Hinweis der Werkstatt, dass sich die Reparaturkosten nicht unerheblich erhöhen würden, erteilte der jedenfalls die Reparaturfreigabe. Letztendlich lagen nach Abschluss der Reparatur die Kosten rund 144% über dem Wiederbeschaffungswert.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beträgt die Obergrenze, bis zu der man sein Fahrzeug reparieren lassen darf, 130 % des Wiederbeschaffungswertes (sog. Integritätsinteresse). Dies aber auch nur dann, wenn die Reparatur vollständig und fachgerecht durchgeführt und das Fahrzeug tatsächlich weiternutzt wird. Übersteigen die Reparaturkosten diese Obergrenze, handelt es sich definitiv um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Man bekommt dann nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert ersetzt.

Die Versicherung des Unfallgegners sah also nicht ein, soviel zahlen zu müssen, rechnete auf Totalschadenbasis ab und harrte der Klage. Das Landgericht wies diese ab, so dass das Oberlandesgericht Saarbrücken sich mit der Sache befassen musste. Mit Erfolg, denn die Versicherung musste zahlen.

Der Geschädigte darf sich, so das OLG, auf das Urteil eines Sachverständigen verlassen. Jede Schadenschätzung stellt lediglich eine Prognose dar. Das Risiko einer falschen Prognose, selbst ein Verschulden des Sachverständigen oder der Werkstatt, kann aber nicht dem Geschädigten zugerechnet werden. Der hatte alles Notwendige Fachleuten übertragen, mehr musste er nicht tun.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.02.2012, Az: 4 U 112/11 – 34

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