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Scheinselbständiges Entsetzen

Meinem Mandanten wird vorgeworfen, Arbeitsentgelt vorenthalten bzw. veruntreut zu haben. Anders formuliert lautet der Vorwurf, Scheinselbständige beschäftigt zu haben. Das ist verboten und wird nach § 266a StGB bestraft, wenn man dabei erwischt wird.

Kommt es dann zur Verurteilung, wird das Strafgericht auch die Einziehung der nicht abgeführten Sozialabgaben anordnen, § 73 StGB.

Selbst eine Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, also über zwei Jahre hinausgeht (§ 56 Abs. 2 StGB), ist im Vergleich zu den Folgen dieser strafgerichtlich angeordneten Einziehung das geringere Übel.

Denn eine … sagen wir ‚mal … dreijährige Freiheitsstrafe ist irgendwann einmal abgesessen; meist bereits nach zwei Dritteln, also beispielsweise nach zwei Jahren.

Diese sogenannte Vermögensabschöpfungsmaßnahme eines Strafrichters hingegen hat Auswirkungen für die nächsten 30 Jahre. Erst dann verjähren die Forderungen, die auch jedes Insolvenzverfahren überleben.

Wenn es dann um solche Beträge geht, wie in diesem Fall, bedeutet dies was wirtschaftliche Aus bis zum St. Nimmerleinstag:

Diese Konsequenzen führen in den meisten Fällen zu blankem Entsetzen auf der Arbeitgeberseite.

So ein Risiko bekommt man nur dann einigermaßen in den Griff, wenn die Verteidigung frühzeitig mit dem Sozialversicherungsträger verhandelt *und* eine praktikable Einigung findet. So besteht am Ende eines solchen Verfahrens doch noch eine realistische Chance auf ein wirtschaftliches Überleben.

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Verzögerungsrüge als Katalysator

Vor über zwei Jahren hat die Staatsanwaltschaft Potsdam die Niederlassungen des Unternehmens meiner Mandantin durchsucht.

Es ist mir relativ schnell gelungen, die dabei sichergestellte Hardware wieder herauszubekommen, damit das Unternehmen weiter arbeiten konnte. Die Ermittler haben Kopien der Speichermedien angefertigt und die Rechner anschließend wieder herausgegeben.

Schwieriger wurde es mit der Herausgabe der Aktenordner und Buchhaltungsunterlagen, aber auch das hat dann irgendwann geklappt, zumindest größtenteils.

Seitdem hatten die Ermittler alle Zeit der Welt, um sich die sichergestellten Beweismittel in Ruhe anzuschauen und auszuwerten.

Dies führte jedoch nicht dazu, dass die Ermittler in der Hauptsache wirklich vorankamen, in der es um den Vorwurf des nicht Abführens von Sozialabgaben (“Scheinselbstständigkeit“, § 266a StGB) ging. Stattdessen entwickelten die Ermittler aus der großen Sache heraus mehrere kleinere Ordnungswidrigkeitenverfahren, in denen sie meiner Mandantin nickelige Formalverstöße zur Last legten.

Ich habe immer wieder in regelmäßigen Abständen den Fortgang der Sache angemahnt und insbesondere Akteneinsicht gefordert. Reaktionen erfolgten entweder keine oder bedeutungslose.

Erst auf dieses Schreiben kam etwas Bewegung in die Sache:

Die Verzögerungsrüge ist eine von mehreren Voraussetzungen dafür, dass meine Mandantin später einen ausgleichspflichtigen Schadensersatzanspruch geltend machen kann.

Es stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, erst mit empfindlichen Übeln zu drohen, um die Rechte verwirklichen zu können, die das Prozessrecht einem Beschuldigten einräumt.

Es bleiben abzuwarten, wie sich die Ermittlungen im weiteren Verlauf gestalten und vor allem, wie lange sie noch dauern, bis die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit erledigt hat.

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Bild (CC0): Arcaion / via Pixabay

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Ein scheinselbständiger Rosenkrieg

Rosenkriege sind was ganz Feines. Für den Strafverteidiger. Unter dieser Überschrift beginnt ein weiteres Kapitel in einem bestehenden Mandat

Die Exfrau und ehemalige BGB-Gesellschafterin zeigt ihren Exmann an. Sie behauptet gegenüber der Staatsanwaltschaft, ihr Ex habe angeblich Scheinselbständige beschäftigt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, sammelt Indizien und klagt an.

In der Anklageschrift reklamieren die Strafverfolger einen Schaden in ernsthafter sechsstelliger Höhe.

Das gerichtliche Verfahren dümpelt vor sich hin, schließlich sind die Verfahren wegen Nichtabführens von Sozialabgaben (§ 266a StGB) insbesondere den Richtern am Amtsgericht ein Greuel, das sie gern mal auf Phasen verschieben zu versuchen, von denen sie hoffen, weniger zu tun haben (Indes: „Die Hoffnung wird von Pebb§y gemeuchelt.“) . Kenner der Szene vermuten jetzt richtig: Die (umfangreichen) Akten setzen auf einer Fensterbank liegend reichlich Staub an.

Erfahrene Verteidiger nutzen die Zeit, um mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Deal hinzubekommen. Ziel ist es dabei, die Einziehung des Vermögens im Strafverfahren dadurch zu verhindern, daß die Forderungen der DRV ausgeglichen sind, bevor es mit dem Hauptverfahren konkret losgeht. Das hat für alle Beteiligten Vorteile: Die DRV bekommt zügig einen Großteil ihrer Forderungen, der Angeklagte kann bei der Höhe der Zahlungen ein Wörtchen mitzureden und der Strafrichter muß sich nicht so intensiv mit dem häßlichen Sozialrecht herumschlagen.

Nun bekommt aber besagte Rosenkriegerin davon Wind, daß ihr Rosenbekriegter versucht, sein immobiles Vermögen zu verflüssigen. Und das teilt sie dann auch noch der Staatsanwaltschaft mit.

Die sieht eine vermeintlich herannahende Katastrophe und beantragt (und erhält) einen Arrestbeschluß, mit dem eine Sicherungshypothek und ein Veräußerungsverbot ins Grundbuch eingetragen wird.

Jetzt müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen … (… was dann nicht für die Öffentlichkeit und Expartnerinnen bestimmt sein wird.)

Wenn das aber so weiter geht, fürchte ich, daß hier noch ein Mandat für die Verteidigung vor dem Schwurgericht hereinkommt.

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Bild: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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