Es kommt oft vor, in den unterschiedlichsten Varianten, daß mich jemand bittet,
mal eben …
- eine Frage zu beantworten,
- eine Stellungnahme abzugeben,
- ein kleines Problemchen zu lösen,
- oder was auch immer …
Aber stets „mal eben“.
Ich frage mich, ob diesen Mal-eben-Bittstellern klar ist, was das bedeutet. Wenn Sie zu diesen unwissenden Leuten gehören, dann möchte ich Ihnen hier erzählen
ein paar Interna aus meinem Leben.
Der Arbeitstag hat 24 Stunden. Die Tage an den Wochenenden sind noch kürzer. Deswegen möchte ich mir die Zeit so einteilen, daß ich die Freude am Dasein behalte.
Also schauen wir uns mal gemeinsam so einen durchschnittlichen Tag in der Woche ein wenig genauer an. Womit verbringe ich meinen Alltag und meine Zeit?
24 Stunden!
Nun, auch wenn man sagt, mit zunehmendem Alter braucht man weniger Schlaf: 8 Stunden sollten es im Schnitt schon sein, vielleicht 7 1/2, dann aber noch eine halbe Stunde Mittagsschlaf. Es bleiben noch …
16 Stunden.
Duschen, Zähne putzen, Haare kämmen. Auch dafür geht Zeit drauf. Es gibt Menschen, die ihr halbes Leben im Bad verbringen, mir reichen 30 Minuten täglich. Es bleiben noch …
15,5 Stunden.
Morgens ein Müsli, mittags eine warme Mahlzeit und zum Feierabend ein Abendbrot. Und jede Menge Caffè. Dafür braucht der Mensch, will er nicht im Stehen frühstücken, gern mal 2 Stunden. Es bleiben noch …
13,5 Stunden.
Ähnlich wichtig wie die äußere Körperpflege ist die Pflege der Innereien. Im Schnitt – über die Woche verteilt – sollte eine Stunde Sport (inkl. Umziehen, Anfahrt in die Turnhalle oder in den Wald) schon drin sein. Es bleiben noch …
12,5 Stunden,
in denen ich gern mit meiner Partnerin, meinen Freunden und/oder Bekannten zusammen bin. Zum Beispiel zuhause, in einer Neuköllner Eckkneipe oder in der Philharmonie. Rechnen wir dafür mal 1,5 Stunden täglich. Es bleiben noch …
11 Stunden
Dann gibt es noch Phasen, in denen ich einfach mal für mich bin. Meinen Hobbys nachgehen, ein Buch lesen, nichts tun, sitzen. Im Schnitt möchte ich dafür 1 Stunde ansetzen. Es bleiben noch …
10 Stunden
Ein halbe Stunde täglich brauche ich für den Weg zur Kanzlei und wieder zurück nach Hause. Es bleiben noch …
9,5 Stunden
Um den Laden zusammen zu halten, die Ideen für eine funktionierenden Kanzleiablauf umzusetzen, Gespräche mit Vermieter, Postboten, Stromablesern, Technikern, Schraubern, Heizungsmonteuren, Raumpflegerinnen, Versicherungsfritzen undundund benötigt der Unternehmer gut und gerne 2 1/2 Stunden täglich (im „Havariefall“ sind es deutlich mehr). Es bleiben noch …
7 Stunden
Für Gespräche (also small talk) mit Richtern, Staatsanwälten, Polizeibeamten, Gastwirten, Multiplikatoren, Passanten, Cold-Callern, Zeitungsverkäufern, Bettlern fällt im Schnitt täglich mindestens eine Stunde an. Es bleiben noch …
6 Stunden
In diesen sechs Stunden, also in den verbleibenden 25 % des Tages, muß (möchte!) ich dafür sorgen, daß ein Team von ca. 8 Leuten (Vollzeit- und Teilzeitkräfte), deren Anhang oder Familie, und ich selber den Tag morgens mit einem Müsli beginnen können, das nicht aus dem Regelbedarf eines Sozialhilfeempfängers finanziert wird. Das ist gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, daß vorher noch die Miete, die Versicherungsprämien, die Fortbildungskosten, die Kanzleieinrichtung … erwirtschaftet werden müssen.
Dies mal vorausgeschickt:
Lieber Buchautor, Filmschaffender, Journalist, lieber Ich-habe-mal-eben-eine-kurze-Frage-Steller, an welcher Stelle meines Tages soll ich kürzen, damit ich die Zeit für Sie habe, die Sie brauchen, damit ich Ihre Bedürfnisse stille?
Und was soll mich motivieren, meine Zeit mit Ihnen zu verbringen, statt mit meiner Frau ein Eis essen zu gehen, meinen Kumpels auf dem Motorrad über den Ring oder auf dem Mountainbike durch den Wald zu fahren oder schlicht auf dem Sofa zu legen und die Pickel im Rauputz der Decke zu zählen?
Lassen Sie sich was einfallen!
Achso, hatte ich eigentlich erwähnt, daß Sie nicht der einzige Mal-eben-Bittsteller sind? Und daß ich (sehr gern!) reichlich da oben nicht berücksichtigte Zeit dafür aufbringe, Menschen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können, weil sie z.B. krank, obdachlos sind oder schlicht von der Welt vergessen wurden. Gehören Sie zu diesen Menschen?
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Bild: Marco Görlich / pixelio.de