Was ist ein Fachanwalt?
Er ist ein (durch die Rechtsanwaltskammer) geprüfter Fachmann für ein bestimmtes Rechtsgebiet. Er hat die Pflicht, sich regelmäßig in seinem Rechtsgebiet fortzubilden.
Soweit in Kürze eine handliche Definition. Wer Juristen kennt, weiß, daß es auch ausführlicher geht.
Wie für alles im richtigen Leben gibt es auch für den Fachanwalt eine Rechtsnorm – die Fachanwaltsordnung (FAO). Dort findet man die Voraussetzungen, die der Bewerber erfüllen muß, bevor er sich Fachanwalt nennen darf.
Es gibt derzeit (März 2016) Fachanwälte in folgenden Rechtsgebieten:
Verwaltungsrecht, Steuerrecht, Arbeitsrecht, Sozialrecht, Familienrecht, Strafrecht, Insolvenzrecht, Versicherungsrecht, Medizinrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Verkehrsrecht, Bau- und Architektenrecht, Erbrecht, Transport- und Speditionsrecht, für gewerblichen Rechtsschutz, Handels- und Gesellschaftsrecht, Urheber- und Medienrecht, Informationstechnologierecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Agrarrecht, internationales Wirtschaftsrecht, Vergaberecht und Migrationsrecht.
Bevor ein Rechtsanwalt das Recht verliehen bekommt, den Titel Fachanwalt (für Strafrecht) zu führen, muß er mindestens drei Jahre als Rechtsanwalt tätig sein, sich gleichwohl noch einmal theoretisch fortbilden, in Prüfungen (Klausuren und Fachgespräch) nachweisen, daß er über erheblich überdurchschnittliche theoretische Kenntnisse verfügt,durch Unterlagen nachweisen, daß er über erheblich überdurchschnittliche praktische Erfahrungen auf seinem Gebiet verfügt, ein Fachgespräch führen (im Klartext: eine mündliche Prüfung absolvieren).
Die theoretische Fortbildung umfaßt 120 Stunden Unterricht, im Steuer- und im Insolvenzrecht kommen weitere Ausbildungen noch hinzu. Die Klausuren („Aufsichtsarbeiten“) stehen am Ende der Unterrichtseinheiten; dabei sollen mindestens drei Klausuren bestanden werden, die zwischen einer und fünf Stunden ausfüllen. (Carsten R. Hoenig hat fünf Klausuren zu je drei Stunden geschrieben – und bestanden. Tobias Glienke hat im Verkehrsrecht „nur“ drei Klausuren geschrieben, alle drei mit einem sehr gut.)
Für das Fachgebiet „Strafrecht“ sind besondere theoretische Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen:
- Methodik und Recht der Strafverteidigung und Grundzüge der maßgeblichen Hilfswissenschaften,
- Materielles Strafrecht einschließlich Jugend-, Betäubungsmittel-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht;
- Strafverfahrensrecht einschließlich Jugendstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrecht.
Die „Praktischen Erfahrungen“ setzen voraus, dass der Fachanwalt für Strafrecht mindestens 60 Fälle bearbeitet und dabei 40 Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht oder einem übergeordneten Gericht (Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof) verteidigt hat.
Den Nachweis der praktischen Erfahrungen erbringt der Anwalt durch Listen, die regelmäßig folgende Angaben enthalten müssen: Aktenzeichen, Gegenstand, Zeitraum, Art und Umfang der Tätigkeit, Stand des Verfahrens. Ferner sind auf Verlangen auch noch anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen. Insgesamt bedeutet diese Anforderung eine ungeheuere Fleißarbeit, die der Bewerber leisten muß, um die Rechtsanwaltskammer von seinen Erfahrungen zu überzeugen.
Natürlich ist das Ganze nicht kostenlos: Der Fachanwaltskurs kostet zwischen 1.000 EUR und 2.000 EUR; die Gebühren für das Verfahren bei der Berlin Rechtsanwaltskammer belaufen sich auf 250,00 EUR.
Der Zeitaufwand ist beträchtlich.
Aber selbst wenn der begehrte Titel geführt werden darf, kann sich der Fachanwalt nicht ausruhen: Die FAO schreibt mindestens 10 Stunden Fortbildung im Jahr vor.
In der Rechtsanwaltskammer bzw. den Fachanwalts-Ausschüssen sitzen Rechtsanwälte. Sie sind es, die den Bewerber prüfen, ob er die Voraussetzungen für den Titel erfüllt. Es sind dieselben Rechtsanwälte, die später mit dem Titelinhaber auf dem Anwalts-„Markt“ konkurrieren müssen.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt. ;-)
Alles in Allem ist es ganz schön anstrengend, so einen Titel zu bekommen – und zu behalten. Aber wer Freude an seinem Beruf und an einer Spezialisierung hat, nimmt diese Hürden relativ locker, um dem rechtssuchenden Publikum zeigen zu können, daß auf seinem und für sein Rechtsgebiet bestens qualifiziert ist.