Die entscheidende Grundlage des Verhältnisses zwischen dem Strafverteidiger und seinem Mandanten ist das Vertrauen. Dies wiederum gründet auf die Verschwiegenheit des Anwalts.
Nicht ohne Grund gibt es gleich an mehreren Stellen der Rechtsordnung Vorschriften, die die Schweigepflicht des Rechtsanwalts regeln, ja fordern:
Zum einen ist es das Berufsrecht mit § 43a Abs. 2 BRAO und § 2 BORA; flankiert wird diese Verschwiegenheitspflich zum anderen durch’s Strafrecht in § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB.
Kann sich der Mandant nicht (mehr) darauf verlassen, dass das, was er seinem Verteidiger erzählt, nicht weiter verbreitet wird, ist es vorbei mit dem Vertrauen in den eigenen Anwalt, aber auch in das System der Strafverteidigung und des rechtsstaatlichen Verfahrens.
Soweit die allgemeine Vorrede. Dann noch ein paar konkretere Worte.
Verteidigung von „Nazis“
Einen Beschuldigten wie Stephan B., der in Halle 35 Minuten lang mit seiner mörderischen Aktion für Angst und Schrecken gesorgt hat, kann ich aus persönlichen Gründen nicht verteidigen. Zum einen liegt mein Schwerpunkt im Wirtschaftsstrafrecht, ich gehöre nicht vor die Schwurgerichtskammer, die über Delikte am Menschen urteilt. Zum anderen sind mir die mutmaßlich hinter dieser Tat stehenden Motive so dermaßen zuwider, dass ich mich daran gehindert sehe, mit Vollgas zu verteidigen. Und dann geht es einfach nicht.
Ich habe Hochachtung vor Verteidigern, denen es gelingt, ihre Gefühle insoweit im Griff zu haben, und losgelöst von ihrer eigenen politischen Einstellung auch bei solchen Tatvorwürfen eine qualifizierte Verteidigung abliefern zu können.
Medienöffentlichkeit
Strafverteidiger haben in aller Regel keine Berührungsängste, was den Kontakt zu den Medienschaffenden angeht. Das Verhältnis zwischen Strafverteidigern und Journalisten ist in der Regel eine Symbiose; von einer Zusammenarbeit profitieren grundsätzlich beide Seiten. Ich rede daher gern mit der Presse, das Weblog ist eine weitere Form der Öffentlichkeitsarbeit, die hilfreich ist, meinen Namen in der Welt zu verbreiten. Und Journalisten wissen den O-Ton oder das Hintergrundgespräch zu schätzen.
Und jetzt kommt das „Aber“
Aber niemals, never ever, würde ich Mandatsinterna an die Medien weitergeben, auch nicht unter Dreien, um meinen Namen in der Zeitung lesen oder mich im Fernsehen reden hören zu können.
Das, was die Medien (z.B. die Badischen Neuesten Nachrichten oder der Spiegel) über den Karlsruher Kollegen Hans-Dieter Weber berichten, der Stephan B. zum Pflichtverteidiger bestellt wurde, halte ich nicht nur für einen Verrat der Interessen seines eigenen Mandanten, sondern stellt einen Angriff auf die Strafverteidiger per se da. Selbstverständlich lieben Journalisten solche anwaltlichen Plaudertaschen.
Selbst wenn Stephan B. seinen Verteidiger Weber von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber den Medien freigestellt hätte – was ich nicht glaube, darf er diese Informationen, die er den Journalisten in die Federn und Mikrofone geschwätzt hat, nicht liefern. Das gebietet ihm der Auftrag, den ihm die Rechtsordnung und die Grundsätze des fairen Verfahrens (sic!) gegeben haben: Nämlich ausschließlich seinem Mandanten zur Seite zu stehen und ihn nicht an’s Messer zu liefern. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe gehört auch, nicht alles zu tun, was möglicherweise erlaubt sein könnte.
Ein solches Mandat zu übernehmen und Stephan B. engagiert zu verteidigen, ist, wird und bleibt ein außerordentlicher Kraftakt; dass Hans-Dieter Weber diese Aufgabe übernommen, davor habe ich großen Respekt.
Verachtung habe ich aber für das profilierungssüchtig erscheinende Herumgequatsche in der Öffentlichkeit. Das ist unter keinem Gesichtspunkt akzeptabel, sondern ein extrem schädlicher Verstoß zuminderst gegen Berufsrecht, vielleicht auch darüber hinaus eine Grenzüberschreitung.
Ich drücke dem Kollegen Weber gleichwohl die Daumen, dass es ihm doch noch gelingt, eine saubere Verteidigung seines Mandanten abzuliefern. Und dass er auf dem sehr schwierigen Weg, den er (und sein Team) jetzt vor sich hat, die Nerven behält.
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